Teure Zwangspause am Rhein

Loreley-Unglück bringt Schiffer in Bedrängnis

  • Christian Jung, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Tankerunfall vor zweieinhalb Wochen auf dem Rhein bleibt die Schifffahrt flussabwärts gesperrt. Viele Schiffer liegen seitdem fest. Sie können ihre Fracht nicht ausliefern und verlieren jeden Tag Geld. Für viele geht es um die Existenz.

Mainz/Mannheim. Die Motoren der MS »Salisso« stehen seit einer Woche still. Wegen des fast 130 Kilometer entfernten Säuretanker-Unfalls auf dem Rhein nahe dem Loreleyfelsen musste Schiffer Hans-Werner Mnich seinen Frachter in vierter Reihe im Mannheimer Hafen »parken«. Geladen hat er 800 Tonnen elsässisches Schweinefuttermittel im Wert von 240 000 Euro. Weitertransportieren kann er es erst mal nicht.

Inzwischen ankern im Mannheimer Hafen und an den Kais in Ludwigshafen rund 140 deutsche und niederländische Schiffe, die ihre Frachten flussabwärts fahren wollen. Doch auf dem nahen Rhein sind wegen der Sperrung am Loreleyfelsen keine Schiffe mehr flussabwärts unterwegs. Nur ein Ruderer dreht einsam im Hafenbecken seine Runden. Weitere Schiffe liegen nicht nur auf dem Rhein, sondern ebenso auf dem Neckar und dem Main fest und dürfen nicht weiterfahren.

1000 Euro pro Tag

In Mainz seien es schon bis zu 30 Schiffe gleichzeitig gewesen, die eine Zwangspause einlegen mussten, sagt ein Sprecher der Stadtwerke. Seitdem das Hochwasser abgeflossen sei, hätten zwar einige ihre Fahrt auf dem Main fortsetzen können – wer jedoch rheinabwärts muss, der steckt wegen der Havarie weiter fest.

»Meine Frau und ich sind seit 33 Jahren sonst jeden Tag 14 Stunden vor allem auf dem Rhein und dem Neckar unterwegs«, erzählt Mnich. Pro Tag verliert sein Familienunternehmen etwa 1000 Euro. »Vor dem Loreley-Unglück mussten wir schon in Heilbronn wegen des Neckar-Hochwassers einige Tage pausieren. In diesem Jahr hatten alle Schiffer richtig Pech, das Loreley-Unglück ist für uns ein wirtschaftlicher Supergau«, sagt der 62-Jährige.´ Sein 18-Jähriger Sohn Patrick prüft schon jetzt jeden Tag mehrmals, ob die Futtermittelfracht im Schiffsbauch nicht zu warm wird und noch unbeschadet ihr Ziel im Emsland erreichen kann. Und: Selbst wenn die Kähne irgendwann die Häfen in den Niederlanden und in Norddeutschland erreicht haben, kommt nach Worten von Vater Mnich die nächste Katastrophe, wenn es dann dort Überkapazitäten gibt und viele Frachtpreise in den Keller gehen. »So mancher Schiffer wird das wirtschaftlich nicht überleben, zumal die vergangenen Jahre hart waren«, ist sich Mnich sicher.

Mutter Gudrun hatte am Wochenende ein Solidaritätstreffen für die Schiffer und ihre Familien organisiert. Bei der Zusammenkunft beratschlagten sie das weitere Vorgehen. Die resolute Frau versteht sich als Sprachrohr der deutschen, französischen und niederländischen Familien, die nun auch in ihrer Existenz betroffen sind. Sie gibt so »viele Interviews wie möglich, damit wir von den Politikern und Bankern nicht vergessen werden«. Bisher sei aber noch kein Politiker vorbeigekommen.

Seelsorger im Einsatz

Unterdessen wandte sich der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) an seine Berliner Kollegen mit der Bitte, sich der Binnenschiffer anzunehmen. Deren Lage werde »täglich prekärer und teilweise sogar existenzbedrohend«, schrieb er am Montag in einem Brief. »Die Gefahr von Insolvenzen wird täglich größer.«

»Uns ist völlig unklar, warum eine europäische Wasserstraße wie der Rhein so lange gesperrt ist und das verunglückte Schiff nicht geborgen wird«, sagt Gudrun Mnich. Wann die Schiffer flussabwärts weiterfahren dürfen, ist unklar. Bis es soweit ist, werden sie über Bunkerboote mit kostenlosem Trinkwasser versorgt. Schiffsseelsorger der katholischen und der evangelischen Kirche sind zudem im Einsatz.

Mehr als zwei Wochen nach dem Schiffsunglück am Loreleyfelsen kommen die Bergungsarbeiten dort immerhin voran. Gestern sollte damit begonnen werden, die Schwefelsäure aus dem gekenterten Tankschiff »Waldhof« abzupumpen.

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