Figur und Raum

Der Berliner Maler und Grafiker Wolfgang Leber feiert 75. Geburtstag

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Was denn das Faszinierende an Charlotte Pauly, der großen alten Dame der Berliner Malerei und Grafik, sei, fragte einst der 50-jährige Wolfgang Leber, und wir geben heute, an seinem 75. Geburtstag, die Frage an ihn zurück: Was schlägt uns immer wieder in den Bann, wenn wir seine Arbeiten betrachten? Zunächst scheinen sie »nur« Modelle der räumlich-architektonischen Umwelt auf der Fläche zu sein. Jedes persönliche Erinnerungsstück, das als Attribut eines Menschen verstanden werden könnte, ist hier vermieden. Lebers (Innen- und Außen-)Räume haben eine anonym geometrisierende Form. Sie sind Spiegelungen, Brechungen, Krümmungen, Reflexionen – Abbild und Sinnbild – der psychischen und geistigen Existenz des Menschen, vermögen aber durchaus auch die Last sozialer Bedeutungen zu tragen.

In diesen Räumen erscheinen die Figuren vereinsamt, sie scheinen sich ihnen wie ausgeliefert zu fühlen. Aus stereometrischen Grundformen zusammengesetzt, sind es Figurenzeichen ohne äußere Physiognomie, Kunstfiguren aus kontrastierenden Form- und Farbelementen. Die für das späte Bauhaus charakteristische Sachlichkeit und systematische Konstruktion sind hier gewiss nicht ohne Einfluss gewesen.

Aber der Maler und Grafiker Wolfgang Leber, der auch durch seine Malerei auf keramischen Gefäßen bekannt geworden ist, will seine Arbeiten nicht als intellektuelle Bilder verstanden wissen. Der ästhetische Bezug zur Rationalität und Präzision der technischen Form wird immer wieder aufgehoben durch die Emotionalität der Gestaltung.

Trotz thematischer und motivischer Begrenzung – Figur, Raum, Stadt, Natur, Stillleben – verfügt er über einen Malstil von außerordentlicher Spannweite: Der unterkühlte, kalte Konstruktivismus wird belebt durch die sensitive Farbe. Farbfeld stößt an Farbfeld, Farblicht steht gegen Farbmaterie, Farbflächen mit ihren Kontrasten übernehmen den Aufbau der Komposition. Die Kühnheit seiner Farben lässt uns immer wieder staunen: das Rostrot und Zinnober, die tiefen, vollen Kobaltblaus und das sanfte Veilchenblau, die Fuchsien- und Orangentöne, das samtige Schwarz oder Hellgelb. Das hervorstechende Merkmal des persönlichen Stils von Wolfgang Leber ist seine meditative Erlebnisfähigkeit. Seine Bilder treten aus dem ästhetischen Raum heraus und erhalten eine lebenssichernde und lebensordnende soziale Funktion.

Der gebürtige Berliner studierte seinerzeit an der Werkkunstschule und der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg, musste aber wegen des Mauerbaus 1961 sein Studium abbrechen. Er war dann freischaffend tätig, leitete 25 Jahre lang aufopferungsvoll das Werkstudio Grafik in Prenzlauer Berg, wurde 1990 einer der Initiatoren der Künstlerinitiative »Maisalon«, die jährlich größere Ausstellungen mit Berliner Kunst in Berlin, Frankfurt am Main und Bonn zeigte, übernahm verschiedene Lehraufträge und war GastProfessor für Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

Das Bild ist bei Leber ein Ort von Durchdringungen und Entgegensetzungen. Das Sichtbare soll verborgen, das Verborgene zugleich wieder sichtbar werden. In ihrer quasi abstrakten Eigenwertigkeit nehmen die Farben und Flächen eine inhaltliche Bedeutung an, es sind sozusagen abstrakt gegenständliche Bilder. Sie lassen in ihrer visuellen Poesie die Lebendigkeit der Welt zu kargen Träumen gerinnen. Es sind Figurenbilder von spröder Weltangst, Zeit-Zeichen gegen Gefährdung, Entfremdung, Bedrängnis und Erstarrung. Und so sind sie dann auch wieder imstande, Kraft und Lebenswillen zu vermitteln.

Wir wünschen uns von ihm noch viele neue Arbeiten, denn wir brauchen ihn.

Noch bis zum 19. Februar wird in der Galerie Forum Amalienpark, Berlin-Pankow, Breite Str. 2a, Malerei von Wolfgang Leber – zusammen mit Skulpturen von Sylvia Hagen – gezeigt.

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