Schatten auf dem Bild von Europa

Umfrage in Türkei zu Außen- und Innenpolitik

  • Jan Keetman, Istanbul
  • Lesedauer: 2 Min.
Die US-Nachrichtenagentur AP wollte es genau wissen. Ende vergangenen Jahres befragte in ihrem Auftrag das Meinungsforschungsinstitut GfK 1200 Türkinnen und Türken zu deren Meinung zu Europa.

Was nach Auswertung der Untersuchung herauskam, ist ein in weiten Teilen widersprüchliches Bild. Nicht allzu viel halten demnach die Türken von den Europäern und gerade einmal 16 Prozent haben eine gute Meinung von Deutschland. Doch wenn man weiterblättert, stellt sich heraus, dass dies noch ein einsamer Spitzenplatz ist. Noch relativ gut halten sich die Mittelmehranrainer Italien mit 12 und Spanien mit 11 Prozent. Die Briten kommen auf 9, die Franzosen nur auf 6 Prozent und die lange Zeit mit den Türken verfeindeten Griechen hatten nur bei 5 Prozent ein gutes Image. Dabei sind es weniger pauschale Vorurteile, die das Bild von Europa prägen. So gab eine Mehrheit an, dass man im Umgang mit Menschen generell recht vorsichtig sein müsse; 84 Prozent wollen generell Ausländern nicht so recht trauen.

Um das Vertrauen in Gott ist es dagegen besser bestellt. Über vier Fünftel der Befragten sagten, dass Religion für ihr Leben »sehr« oder sogar »außerordentlich« wichtig sei. Politik und Religion will die Mehrheit jedoch auseinanderhalten. Zwei von drei Türken betonten, dass es Frauen freigestellt sein sollte, ob sie an Universitäten ein Kopftuch tragen wollen. Dies ist im Prinzip durch das Verfassungsgericht verboten, das Kopftuch wird heute aber faktisch geduldet. Fast zwei Drittel sind allerdings dagegen, dass sich religiöse Führer in die Politik einmischen.

Befragt, ob das Land sich in eine falsche Richtung entwickle, antworten 87 Prozent mit Ja. Allerdings: An Meinungsfreiheit in der Türkei glaubt nur eine Minderheit. Nicht einmal ein Drittel gab an, dass sie sich frei fühlten, alles zu sagen, was sie denken.

Eine Zahl zumindest könnte die Europäer freuen. Noch immer wollen 50 Prozent der türkischen Bevölkerung in die EU. Vor einem Jahrzehnt hatte die Zustimmung noch bei gut zwei Dritteln gelegen. Doch angesichts der äußerst schleppenden Verhandlungen und der in der Türkei als Desillusionierung wahrgenommenen Euro-Krise war nicht unbedingt zu erwarten, dass eine Mehrheit der Türken noch immer in die EU will. Ähnliche Ergebnisse gab es auch bei anderen außenpolitischen Themen: Bei der NATO-Mitgliedschaft, einem möglichen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel oder der Frage, ob Obama zu trauen ist, schwanken die Ergebnisse um 50 Prozent.

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