Freiheit für die Kungelei

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.

Es gibt keinen guten Grund, an eine Pflegeversicherungsreform zu glauben, die alle Menschen in der Gesellschaft gleichermaßen an den Kosten so einer Mammutaufgabe beteiligt – egal ob sie privat oder gesetzlich versichert sind, alt oder jung, Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Warum sollte ausgerechnet hier plötzlich eine gesellschaftliche Moral wieder auftauchen, nach der man schon beim Gesetzgebungsverfahren zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor einem Jahr vergeblich Ausschau gehalten hatte? Da war sich im Gesundheitssystem jeder selbst der Nächste. Die Private Krankenversicherung nahm, was sie an Vorteilen kriegen konnte, die Pharmahersteller und Arbeitgeber sicherten ihre Pfründe. Kein Leistungserbringer, von dem man gehört hätte, dass er sich solidarisch – vielleicht sogar durch Verzicht auf die allzu krasse Schröpfung der Versicherten – an steigenden Kosten beteiligen möchte. Das Ergebnis war die Einführung der Zusatzbeiträge in der GKV. Künftig zahlen nur noch die Versicherten drauf. Ein Systembruch, den man nicht gleich merkt, weil die Belastungen häppchenweise kommen.

Weshalb sollte es bei der Pflegeversicherung anders laufen? Einer Umfrage der Universität Düsseldorf zufolge glauben lediglich 16 Prozent der Parlamentarier, Einfluss auf das Gesundheitswesens zu haben. Was sollen da erst Gewerkschaft, Opposition und Sozialverbände glauben? Die Entscheidungen fallen offenbar in intransparenten Kungelrunden. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler soll Medien zufolge gesagt haben, wenn er für jede Entscheidung ohnehin kritisiert würde, gebe ihm das die Freiheit, zu tun, was er für richtig hält. Und was das ist, wissen wir.

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