Volksnah im zweiten Anlauf

Landtagsbaustelle für Besucher geöffnet / Ein Fest der LINKEN

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Art Fortsetzung der Grundsteinlegung für den Landtagsneubau hat es gestern in Potsdam gegeben. Nachdem vor einigen Wochen bei der Grundsteinlegung der Bürger allenfalls Zaungast war, durfte er nun einen Streifzug seitlich an der Baugrube vorbei unternehmen. Es war der erste »Tag der offenen Baustelle«. Der Riese Atlas auf dem nebenstehenden Alten Rauhaus trägt in gewohnter Weise schwer an seiner goldenen Erdkugel, während sich einige hundert Besucher an der Großbaustelle Alter Markt einfinden. Die rote Infobox, das Informationszentrum zum Baufortschritt, ist zwar auch am Donnerstag nicht überfüllt, aber einige Dutzend Menschen nutzen die schräge Rampe, um den Überblick zu bewahren.

Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große (LINKE) verspricht in ihren Begrüßungsworten: »Auch beim Richtfest wird das Volk dabei sein können.« Es hatte Beschwerden gegeben, weil die Grundsteinlegung im Februar eine mehr oder weniger geschlossene Veranstaltung war. Finanzminister Helmuth Markov (LINKE) unterstreicht, dass Termindruck und damit Sicherheitsfragen keine Wahl ließen. Aber bis zum Richtfest soll es noch zwei Tage der offenen Baustelle geben, kündigt er an. Erneut will er die Baustelle freigeben, »wenn die Umrisse des Baus sichtbar werden«.

CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig war aus Protest der Grundsteinlegung ferngeblieben, weil sie solidarisch mit den »Ausgesperrten« sein wollte. Beim zweiten Anlauf ist sie aber ebenfalls nicht anwesend, wie auch hochrangige Vertreter anderer Parteien nicht. Allein die Prominenz der Linkspartei stellt sich dem Bürger, was seltsam erscheint, denn diese Partei hatte in den vergangenen Jahren noch den größten Abstand zu diesem Neubau im Schlossformat bewiesen.

Mit »gemischten Gefühlen« sehe er diese Entwicklung, bekennt LINKE-Stadtfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Doch sei der Landtagsbau im Zusammenhang mit Schul- und Bibliothekssanierung sowie anderen Stadtprojekten zu sehen, was die Bedingung seiner Stadtfraktion für die Zustimmung gewesen sei. Dass aber nun der neu zu bauende Landtag eher als Stadtschloss wahrgenommen werde, das störe ihn.

Ganz anders eine Besucherin. »Wie schade, dass das Schloss nicht original wieder aufgebaut wird«, sagte sie. »Das ist nicht vorgesehen«, wendet die Bauerklärerin ein, die für den holländischen Großauftragnehmer BAM heute die Schaubilder erläutert. Im Entwurf sei nicht die Rede von einem Schloss. Es werde vielmehr ein »nagelneues Bürogebäude« entstehen, das eine Schlossfassade erhalte. »Das sind auch die Anforderungen.« Immerhin, tröstet sie die auf Barock versessene Dame, werde auch das Treppenhaus in Anlehnung an das historische entstehen. »Aber nicht original.«

Unternehmen BAM – das heißt doch »Baikal-Amur-Magistrale«, ulkt ein ältere Potsdamer und verweist auf ein spätsowjetisches Großprojekt zum Bau einer Schiene im Fernen Osten. Nein, das ist die Bezeichnung für einen holländischen Baukonzern, wird berichtigt. Drei Menschen halten Schilder hoch, auf denen sie gegen die Regierungsbeteiligung der Linkspartei protestieren, immerhin jener Partei, die heute den Landtagsbau als einzige am Ort vertritt. Die Mehrheit der anwesenden Potsdamer und ihre Besucher nehmen das Gesprächsangebot aber an, viele Fragen gibt es. Standbetreuer Jens Fernkorn fasst zusammen: »Wie geht der Bau vorwärts? Wie wird es aussehen. Was ist nötig, um das Grundwasser abzuhalten?«

Hat auch jemand nach den Baukosten gefragt? »Mich jedenfalls nicht«, sagt Fernkorn. Man müsse von Mehrkosten ausgehen, räumt Finanzminister Markov ein. Das entsprechende Gutachten seines Hauses habe den schlimmsten Fall einmal gedanklich durchgespielt. Dabei gebe es Leistungen, die zusätzlich angefordert werden, und »die wir bezahlen müssen«. Bei anderen Leistungen streite man sich mit dem Bauunternehmen. »Aber das ist doch normal.«

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