Ruppiger Zoff bei Rot-Rot

Fraktionschefs Michael Müller (SPD) und Udo Wolf (LINKE) setzen aber auf Koalition bis zur Wahl

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
»Probleme mit dem Koalitionspartner« räumte Linksfraktionschef Udo Wolf gestern ein. Diese will die LINKE mit der SPD aber »in der Sache« lösen und nicht etwa durch vorgezogene Neuwahlen. Die Koalition werde bis September halten, »davon gehe ich fest aus«, sagte er ND. Auch im »ernsten Konflikt« um den Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) sei er optimistisch, dass »der zwanglose Zwang des besseren Arguments« wirke. »Dann kommen wir noch zu einer vernünftigen Einigung.«

Es gehe mit Rot-Rot bis September, sagt sein Amtskollege Michael Müller von der SPD mit dieser Einschränkung: »Wenn nicht die Linkspartei andere Konzepte verfolgt.« Er spricht gelassen und freundlich, bestätigt aber einen inzwischen verbreiteten Eindruck: »Die Stimmung ist angespannt und ruppig.« Erstaunt sei er, wie heftig die Linkspartei auf inhaltliche Fragen zur Arbeitsmarktpolitik reagiert habe. Es sei schon »sehr sportlich«, wenn Arbeitssenatorin Carola Bluhm (LINKE) »einfach auf Zuruf 20 Millionen Euro haben möchte«. Hier solle sie doch erst einmal ihre arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen präsentieren.

In seiner Fraktion verweist man beruhigend darauf, in diesem Jahr sei der ÖBS ja »komplett ausfinanziert«. Die Verträge liefen aber über drei Jahre. Angesichts der Kürzungen durch die Bundesebene müsse die Finanzierung in den Haushaltsberatungen und den Chefgesprächen zum Etat 2012/2013 behandelt werden. »Das ist keine grundsätzliche Haltung gegen den ÖBS«, wird versichert. Die LINKE sei, wundern sich SPD-Genossen harmlos, hier »etwas vehement« an die Öffentlichkeit gegangen.

Deren Ärger über das Blockieren der Finanzierung bleibt dort freilich unverkennbar. Der gemeinhin auf sorgsame Wortwahl bedachte Udo Wolf kann für seine Verhältnisse durchaus scharf werden: »Das hat schon ein bisschen was von Willkür und ein bisschen was von Zoffen gegen den Koalitionspartner.« Das Argument, der ÖBS werde teurer, mag er nicht gelten lassen. »Es geht um den gleichen Betrag, der schon im Haushalt steht.«

Ihm bleibt sein Widerpart von der SPD an Groll nichts schuldig. »Ständig werden neue Themen als Konfliktpotenzial in die Waagschale geworfen«, klagt Müller. Im Parlament seien das zum Beispiel das Wahlalter 16 oder der HOWOGE-Untersuchungsausschuss.

Der Eindruck drängte sich längst auf, es würden die Koalitionspartner zu sich gegenseitig in Opposition gehen. Wenn die Sozialdemokraten »nach Hamburg etwas Höhe gekriegt hätten« und »ein bisschen zurück auf den alten Hartz-IV-Kurs« wollten, drohten noch größere Probleme miteinander, warnt nicht ungiftig Udo Wolf. »Wir lassen uns nicht demütigen und uns auch nicht alles gefallen.«

Vielleicht könnte mal der eine mit dem andern sprechen – oder umgekehrt? »Alle sollten mal zwei, drei Tage in Ruhe durchatmen und auch selbstkritisch prüfen, was man tun kann, um die Situation zu deeskalieren«, ist Müller bereit. Er gehe davon aus, dass man sich in den nächsten Tagen direkt oder telefonisch verständigen werde, zumal ohnehin derzeit im Senat die Haushaltsberatungen laufen. Wolf findet, es sollten sich auch die Fraktionschefs »schnell zusammenfinden und besprechen, wie wir vernünftig und unter Wahrung mitmenschlicher Umgangsformen weiter miteinander verfahren«.

Sturmböen, die die rot-rote Koalition derzeit schütteln, treiben die Windräder der Opposition auf hohe Touren. Ungeeignet, ungerecht und zu teuer jubelte die CDU. Damit befand sie die SPD-Kritik am ÖBS als »mehr als berechtigt«. Von den Grünen wurde die Linkspartei gleich als Ganzes für die zu hohen Trinkwasserpreise verantwortlich gemacht. Hier kam die Vorlage vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

Die LINKE kontert solche Angriffe auf ihren Wirtschaftssenator Harald Wolf gern damit, dass ja Wowereit in der Großen Koalition der Privatisierung zugestimmt, Harald Wolf diese aber stets vehement abgelehnt habe. Ein »absolut reines Gewissen« bescheinigen sich hier die Linkspolitiker.

Der Streit dürfte damit aber längst noch nicht beendet sein.

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