Zwei Stunden Sport pro Woche im Jugendknast

Ballsportarten bieten hinter Gittern Abwechslung und sollen bei der Resozialisierung behilflich sein

  • Sebastian Kunigkeit, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Ihr Job ist es, Gefangene auf Trab zu halten. Rund ein Dutzend Sportbetreuer kümmert sich in den Berliner Gefängnissen um die Fitness der Häftlinge. Besonders gefragt ist die Arbeit dieser Beamten in der Jugendstrafanstalt. Dort haben die jungen Straftäter seit 2008 einen gesetzlichen Anspruch auf zwei Stunden Sport pro Woche. Das soll helfen, Aggressionen abzubauen und Regeln zu akzeptieren.

Für die Gefangenen ist es auch Abwechslung zur Bewegungsarmut: »Sport ist die einzige Möglichkeit, sich im Knast frei zu fühlen«, meint der 18-jährige Insasse Arian. »Sport ist Teil unseres Erziehungsprogramms«, sagt Gruppenleiterin Silke Postler. Fünf Sportbetreuer arbeiten in der Jugendstrafanstalt. Es sind ausgebildete Vollzugsbeamte mit einer Fortbildung zum Übungsleiter. Mit der Organisation des Sportprogramms für rund 400 Häftlinge haben sie alle Hände voll zu tun. »Das ist logistisch ganz schön kompliziert«, sagt Sportbetreuer Michael Siebert. Er weist auf eine Pinnwand mit farbigen Zetteln. Die arbeitslosen Insassen müssen ebenso berücksichtigt werden wie diejenigen, die einen Job im Gefängnis haben. Ein Sportpädagoge organisiert außerdem Sportunterricht für alle, die im Gefängnis die Schulbank drücken. »Besonders hoch im Kurs stehen Fußball und Fitness«, sagt Siebert.

Es müsse aber auch viel Prävention betrieben werden – beispielsweise müssen die Betreuer einlenken, wenn Häftlinge nach Muskelaufbaumitteln fragten. Doch sie geben nicht nur Tipps, sondern trainieren auch mit den jungen Männern. »Wir sind alle sportbegeistert«, sagt Siebert. Es geht auch um Vertrauen. Arian, der eine Strafe wegen EC-Kartenbetrugs absitzt, sagt in Richtung Trainer: »Manchmal müssen die streng durchgreifen, aber wir lachen auch mit denen. Wir respektieren sie, wie sie uns respektieren.« Es gebe gelegentlich aber auch Drohungen und Beleidigungen, schränkt Übungsleiter Siebert ein. Es dürfe nicht vergessen werden, dass sie Gefangene sind. »Die müssen sich das erarbeiten«, sagt Siebert zu Regeln im Sport und Gefängnisalltag.

»Wenn jemand ausrastet, fliegt er raus«, bestätigt der 21-jährige Kai. Er verbüßt eine achtjährige Haftstrafe wegen eines Raubüberfalls. Es sitzt bereits zum zweiten Mal. »Aber es ist das letzte Mal«, gelobt er. Kai gehört zu den engagiertesten Sportlern, spielt Fuß- und Basketball sowie Tischtennis. »Sport ist die einzige Abwechslung für mich.« Nach seiner Entlassung will er wieder im Verein spielen – früher kickte er in der Oberliga.

Auch in anderen Gefängnissen der Hauptstadt wird Sport getrieben – wenn auch mit weniger Betreuung. Im bundesweit größten Männergefängnis in Tegel mit mehr als 1500 Plätzen gibt es laut Justizverwaltung drei Sportbeamte. Ihre Arbeit solle die Resozialisierung der Häftlinge unterstützen. In Moabit arbeiten sieben Übungsleiter. Auch für weibliche Gefangene gibt es Sportangebote. Die Sportbeamten haben keine Illusion über die Wirkung ihrer Arbeit. »Es ist positiv, wenn die Insassen so ausgepowert sind, dass sie keine Lust mehr haben auf Stress«, sagt Siebert. Ob Sport helfe, nicht wieder kriminell zu werden, könne er nicht beurteilen.

Gruppenleiterin Postler ist dagegen sicher, dass Sozialkompetenz, Fairness und Disziplin auf jeden Fall gefördert werden. Ein Erfolg sei beispielsweise das bislang immer konfliktfreie Streetball-Event, bei dem die Insassen zweimal im Jahr gegen Gleichaltrige von »draußen« spielen. Dann wummern in der Sporthalle die Hip-Hop-Beats, Anfeuerungsrufe schallen durch den Raum. Alles ganz normal – wenn die Besucher nicht erst ihre Handys und Ausweise am Besuchereingang der Haftanstalt abgeben müssten. »Das ist schon ein bisschen komisch«, findet Katja Wolf (22) vom »Mobilen Team Streetball«, das die Veranstaltung organisiert. »Harte Schale, weicher Kern«, sagt die Logistik-Studentin mit Blick auf die jungen Männer aus der Haftanstalt. Und: »Die spielen richtig gut.«

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