Google Street View war nur der Anfang

Datenschutzbeauftragter stellt Jahresbericht 2010 vor und warnt vor unerwünschten Folgen des Benutzens von Internet und Smartphones

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix ist kein Feind des technologischen Fortschritts. Im Gegenteil, er besitzt seit kurzem ein Smartphone, jene Handys, die sich mit Zusatzprogrammen (sogenannten Apps) zu kleinen portablen Multi-Computern aufrüsten lassen. Dix ist zudem Mitglied eines sozialen Netzwerks im Internet. Auch einen neuen elektronischen Personalausweis hat er bereits beantragt.

Doch alle Innovationen bergen auch Gefahren, warnt Dix: »Kaum ein Nutzer macht sich klar, was für Daten fließen, wenn das Smartphone ständig online ist.« Deshalb rät Dix Nutzern zur Vorsicht und Zurückhaltung. Man solle zunächst genau prüfen, welche Anwendung man installiert. Denn hergestellt würden die Programme von Drittanbietern, die mehr Daten als nötig aus den Telefonen saugen. Auch das Auslesen von Kontaktdaten sei nicht auszuschließen.

Die Probleme, die sich durch die Verbreitung von Smartphones ergeben sind aber nur ein Aspekt des Arbeitsbereichs von Berlins obersten Datenschützer, der gestern seinen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2010 vorstellte. Das Beispiel Smartphone verdeutlicht jedoch eindrücklich, wie sehr sich durch das Internets auch das Aufgabenfeld des Datenschützers verändert.

»Der Stellenwert des Datenschutzes hat 2010 stark zugenommen«, sagt Dix. Er verweist auf die Debatte um Google Street View im vergangenen Jahr und die aktuellen Diskussionen um Cyber-Mobbing im Netz, die aufbrandeten, nachdem ein Schüler in Berlin, der seine Freundin vor Schmähungen im Internet schützen wollte, von den virtuellen Tätern in Realität krankenhausreif geschlagen wurde. »Bei Isharegossip handelt es sich eindeutig um eine Hetzseite, auf der Beleidigungen geschrieben und zu Straftaten aufgerufen wird«, meint Dix. Weil der Server allerdings nicht in Deutschland liege, sondern im Ausland, gebe es keine Möglichkeit, die Pöbelseite aus dem Internet zu nehmen.

In diesem Zusammenhang lobte der Datenschutzbeauftragte die Initiative von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), in 2011 das Jahr der Medienkompetenz für Schüler ausgerufen zu haben. Die jungen Leute im Umgang mit den neuen Medien zu schulen, das könne man nicht genug stärken. Dix fordert darüber hinaus, dass Medienkompetenz verpflichtender Teil der Schulausbildung werden sollte. »Informationsökologie« könnte das neue Fach heißen, so Berlins Datenschutzbeauftragter. Wie wehrhaft Schüler selbst mit Isharegossip umgehen, zeigte sich bereits in den vergangenen Tagen: Nach dem brutalen Übergriff schütteten sie die Internetseite einfach mit irrelevanten Textbausteinen zu, sodass diskriminierende Inhalte nicht mehr so einfach zu finden waren. Die Internetseite wurde quasi lahmgelegt.

Um den wachsenden Problematiken mit dem Internet zu begegnen und auch die Beschwerden der Bürger dazu aufarbeiten zu können, hat Alexander Dix jetzt für die Datenschutzbehörde mehr Personal beantragt. Denn die Entwicklung des Internets mache deutlich, dass einerseits die Möglichkeiten zum Schutz zu wenig bekannt seien, während andererseits ein Sog zum Mitmachen etwa in sozialen Netzwerken existiere. Dem zu begegnen, sei eine »riesige Aufgabe«.

Die auch nicht so schnell zu bewältigen sein dürfte.

Für Alexander Dix persönlich haben sich zwar die schlimmsten befürchteten Überwachungsszenarien aus der Vergangenheit bisher nicht bewahrheitet. Doch die Debatten um »Georeferenzierte Panoramadienste« wie Google Street View fangen seiner Meinung nach erst an. »Die Kameras werden näher kommen«, ist sich Dix sicher. Irgendwann könnte es auch Live-Überwachungen geben. Auf selbstauferlegte Verhaltenskodexe der Wirtschaft zum Datenschutz will sich Dix dabei dann nicht verlassen. Er setzt vielmehr auf die Europäische Kommission, die zur Zeit eine neuen rechtlichen Rahmen erarbeitet, um den Datenschutz generell zu verbessern.

www.datenschutz-berlin.de

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