Claudia Hajek

Schönheit der Gefahr

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn es Preise für tagesaktuelle Kunst geben würde, müsste Claudia Hajek unbedingt einen solchen erhalten. In die eher kleinen Räume der Galerie »Weißer Elefant« hat die Künstlerin Wand und Decke zu sprengen scheinende Aluminiumbahnen installiert, die wie die Wogen eines Tsunami anmuten, die gleich die steinerne Konstruktion auflösen werden. Die Wogen sind zum Glück erstarrt. Die Zerstörung ist aufgehalten. Und daher kann man die Instrumente der Gefahr in ihrer geschwungenen Schönheit bewundern und sich in ihrem metallischen Glanz spiegeln. Das ist durchaus eindrucksvoll.

Reizvoll ist auch der Kontrast des glatten Metalls mit der reich mit Stuckelementen verzierten Fassade des gegenüberliegenden Hauses in der Auguststraße, auf die der Blick aus den vorderen Fenstern fällt.

Insgesamt atmet die Ausstellung aber nicht die Großzügigkeit, die sowohl der Titel »Lichte Weite« als auch frühere Installationen der Künstlerin im öffentlichen Raum versprachen. Da fuhren die metallenen Platten wie silbrige Pfeile über mal ramponierte und mal hübsch hergerichtete Häuserfronten. Sie stellten radikale Eingriffe in die steinerne Bausubstanz dar, führten aber auch neue Rhythmen und Harmonien ein. Hajek erwies sich dabei als eine Verzauberin des Stadtraums.

Initiiert hat sie diese Werkserie vor einigen Jahren in einer Art Nachahmung und Verwandlung von Natur. Die ersten Aluminiumbleche in einem Galerieraum bezogen sich auf den gekrümmten Lauf des wildromantischen Furlbachs in der ostwestfälischen Heimat der Künstlerin. Von der Lebensader Wasser ging sie dann zur vom Licht getragenen Intervention in den Stadtraum über. Spiegelte sich die Sonne im Metall, schienen Gebäudeteile zu schweben.

Im Innenraum der Galerie ist von diesen Wirkungen wenig zu spüren. Augenfällig wird eher, wie die metallischen Bahnen aus der Begrenzung, die die Zimmer ihnen bieten, herausbrechen wollen. Nur in den größeren Räumen kann sich der Schwung etwas entfalten. Dem Effekt einer neuen Großartigkeit steht allerdings die mindere Qualität des Materials entgegen: Die Metallbahnen sind an den Seiten eingeknickt. Dellen und Beulen befinden sich auch an zentraleren Stellen.

Weil die Bahnen sich aber frei durch den Raum bewegen und von Holzlatten gespannt sind, ergibt sich eine neue Funktion: Berührt man sie sanft, so schwingen und klingen sie wie die Saiten eines gigantischen Streichinstruments. Durchaus einleuchtend ist daher die Idee der Künstlerin und des Galeristen Ralf Bartholomäus, zwei experimentelle Konzerte in dieser Ausstellung zu veranstalten. Am 9. April gibt der Komponist und Musiker Werner Durand ein Konzert für PVC-Klarinetten, mitschwingende Resonatoren und Sinustöne. Und auch der Elektro-Musiker Grischa Lichtenberger setzt am 29. April auf digitale wie analoge Resonanz.

Galerie Weißer Elefant, Auguststr. 21, Claudia Hajek, »Lichte Weite«, Di.-Sa. 13-19 Uhr, bis 30.4., Konzerte am 9. und 29.4.

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