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LINKE landen nicht immer punktsicher

Landtagsfraktionschefin Kaiser über innerparteilichen Streit und über Realismus im Westen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Landtagsfraktionschefin Kerstin Kaiser mahnt eine »kritische Bestandsaufnahme« in der Linkspartei an. Bestimmte Blockaden auf Bundesebene dürften nicht dazu führen, dass die sachliche Debatte über das Parteiprogramm nicht fortgesetzt wird, sagte sie gestern in Potsdam. In den vergangenen 20 Jahren sei die Partei schon in mehreren Phasen durch eigene inhaltliche oder personelle Fehler herausgefordert worden, fuhr sie fort. Mitunter sei es auch nicht einfach, zwei Seiten zusammenzuführen. Doch seien die gegenwärtigen Schwierigkeiten »überwindbar«, glaubt Kaiser. Was die bevorstehenden Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin betreffe, »habe ich nicht die Hoffnung aufgegeben, dass wir gute Ergebnisse erzielen werden«.

Wenn die Bundesparteivorsitzende Gesine Lötzsch den Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi aufgefordert hat, seinen »Spieltrieb zu zügeln«, dann muss den Worten Kaisers zufolge Lötzsch selbst zugeben, in emotionalen Momenten nicht immer punktsicher zu landen. »Ich zensiere natürlich nicht Äußerungen meiner Parteivorsitzenden.« Wenn die Vorsitzende sich auf diese Weise Luft gemacht habe, dann sei das aber »nicht ganz glücklich« gewesen. Doch vertraut Kaiser darauf, dass die politische Partnerschaft von Gysi und Lötzsch, die über zwei Jahrzehnte hinweg währt, ihre Wirkung nicht verfehlen wird.

Im Bundesland Brandenburg betrachte sie die LINKE als »gut aufgestellt«, sagte Kaiser. Der Druck, der auf der hier mitregierenden Partei laste, sei so, dass er »größer als jetzt kaum vorstellbar« sei. Dabei erwähnte Kaiser die Debatte um die Verpressung von Kohlendioxid, um den Stalinismus und um eine Nachtruhe am neuen Airport in Schönefeld. »Ich sitze aber nicht wie der Hase hinter dem Busch und warte darauf, dass Gewitter sich vollzieht«, beteuerte Kaiser. Alle Probleme seien diskutierbar. »Wir sehen uns nicht als Problemfall.«

Die innerparteiliche Debatte, in die Brandenburgs LINKE wegen der Regierungsbeteiligung geraten ist, habe sich verändert, nimmt die Fraktionschefin wahr. Es gebe ein zunehmendes Interesse an sachlichen Bewertungen auch in westlichen Landesverbänden, wobei Kaiser zum Beispiel das Saarland nannte. »Und zwar auch dort, wo man es gar nicht erwartet hat.« Dort sei man ebenfalls mit der Frage der Regierungsbeteiligung konfrontiert. »Und das ohne unsere 20 Jahre Vorlauf.« Man müsse verstehen, dass westdeutsche Gewerkschafter auf den Stalinismus einen anderen Blick werfen als Menschen, die im Osten gelebt haben. Wenn eine Umfrage für die Verpressung von Kohlendioxid keine Mehrheit sehe, dann »bin ich nicht überrascht«.

In Brandenburg versuche die LINKE den Politikwechsel umzusetzen und sei in dieser Rolle eine Gedankenwerkstatt für eine sozialistische und demokratische Politik, meinte Kaiser. Für sie sei Oskar Lafontaine nicht aus der Welt. »Er ist für mich als Gesprächspartner vorhanden und ich freue mich darüber, dass es ihm gesundheitlich wieder besser geht.«

Ausführlich ging die Politikerin auf die gegenwärtige Fluglärmdebatte ein. »Wir haben von Anfang an konsequent gesagt, den Flughafen an diesem Ort zu bauen ist falsch.« Sie erwarte von den Berliner Parteien CDU, SPD, FDP und vor allem von den Grünen, dass sie ihre diesbezügliche Fehlentscheidung zumindest einmal öffentlich bedauern. Wie man heute sehe, sei die falsche Standortwahl nicht mehr zu korrigieren. Für die lärmbelasteten Menschen müsse daher ein maximaler Schutz gewährleistet sein. Die heutigen Regelungen für den Berliner Flughafen Tegel, wo zwischen 23 und 6 Uhr nicht gestartet und gelandet werden darf, sieht Kaiser als Richtwert. »Das ist bei uns Mehrheitsmeinung. Ob wir das hinbekommen werden, das müssen wir sehen.« Klar sei auch, dass die Landesregierung über Nachtflugverbote nicht entscheiden und Flugrouten nicht festlegen könne.

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