Es hat sich endlich »ausgemiegelt«

Die von den Nazis gefeierte Heldengesang-Dichterin Agnes Miegel hat als Schulpatronin ausgedient

  • Hans Canjé
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Traditionsnamen ist es so eine Sache: Sie verraten oft etwas von der Gesinnung, die in den ehrenden Einrichtungen herrscht. Daher ist Agnes Miegel immer weniger als Namenspatronin gelitten.

»Bertha in Aktion« hieß das Motto des diesjährigen »Tages der Offenen Tür« an der Osnabrücker Bertha-von-Suttner-Realschule Anfang April. Vor Jahresfrist wäre es politisch kaum möglich gewesen, mit dem Namen der Schulpatronin für die »Friedensstadt« Osnabrück zu werben. Da trug die Schule in der Gottlieb-Plank-Straße noch den Namen der von den faschistischen Machthabern auf die Liste der »Gottbegnadeten« erhobenen Verfasserin blutrünstiger Heldengesänge Agnes Miegel (1879-1964).

Erst seit dem Schuljahr 2010/2011, zum 50-jährigen Bestehen der Einrichtung, trennte man sich von der als »Mutter Ostpreußens« gefeierten Bardin und entschied sich für die Friedensnobelpreisträgerin von Suttner. Dem folgte die Umsetzung eines zum 350-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens geschaffenen Denkmals mit der Inschrift »Pax optima rerum« (Der Friede ist das Beste der Dinge) zur Bertha-von-Suttner-Schule.

Kritische Stimmen hatten allerdings darauf verwiesen, dass es erst heftiger Anstöße von außen zur nunmehrigen Erkenntnis bedurft hatte, dass die Verehrung der Miegel einerseits und das dem pazifistischen Schriftsteller (»Im Westen nichts Neues«) gewidmete »Erich-Marie-Remarque-Friedens-zentrum« andererseits nicht unter einen Hut gehen. Hatte die bisherige Patronin doch (neben anderem braunen Unrat) zum Überfall auf Polen geschwelgt: »(...) Jugend Deutschlands! Singend voran den Völkern/zogst Du in Deinen Tag, den Tag der Zukunft! (...) folgend dem Ruf des Führers /Stehen zum erstenmal nicht Gatten und Brüder/ nur allein, wir stehen, Frauen und Kinder/ alle im Kampf (...) auf uns zu nehmen wie sie die Schrecken des Krieges:/ (...) wie es das Schicksal bestimmt (...)«

»Die Säuberung des kulturellen Gedächtnisses der Bundesrepublik geht weiter«, hatte im Mai 2009 die »Preußische Allgemeine Zeitung« beklagt. Die 1879 in Königsberg geborene Miegel werde »von der politischen Linken seit langem wegen ihrer Nähe zum NS-Regime kritisiert«, monierte das Blatt. Bis vor wenigen Jahren habe aber diese Kritik an der »Dichterin Ostpreußens« nicht dazu geführt, »sie nicht mehr als erinnerungswürdig einzustufen, was die Vielzahl der nach ihr benannten Straßen, Plätze und Schulen ebenso belegt wie eine Briefmarke zu ihrem 100. Geburtstag«. Zu jener Zeit war Staatsräson, was der Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer (1953-1960) am 23. März 1953 proklamierte hatte: »Wir sind angetreten, um den deutschen Osten wieder zu gewinnen«. Als das Blatt nun vor allem die nicht zuletzt durch beharrliche Aufklärung durch die VVN-BdA in Gang gekommene »Umbildungswelle« an den Bildungseinrichtungen beklagte, waren von den einst 40 »Miegel-Schulen«, die es in der alten BRD gegeben hatte, die meisten bereits »weggespült« worden. Mit Beginn des Schuljahres 2008/2009 hatte sich die Schule in Willich am Niederrhein vom alten Namen getrennt und die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren zur Patronin gewählt. Die rheinische Realschule an der Tersteegenstraße in Düsseldorf vollzog im Oktober 2010 die Trennung. So wie eine Schule in Wilhelmshaven, die in Marion-Dönhoff-Schule umbenannt wurde. Es hat sich »ausgemiegelt«.

Verständlich daher, dass im Verlauf der vom 11. bis 13. März in der Miegel-Hochburg Bad Nenndorf durchgeführten Agnes-Miegel-Tage im dortigen Agnes-Miegel-Haus trotz des lauten Singens deutscher Frühlingslieder keine blühende Stimmung aufkommen wollte. Schon zuvor hatte die Vorsitzende der Gesellschaft, Marianne Kopp, »linke Scharfmacher« der »politischen Wühlarbeit« geziehen, weil die den »demokratischen Bürger in den schmutzigen Strom hineinziehen«.

Was Frau Kopp beklagte: Bei den »zur Zeit grassierenden Umbenennungsbestrebungen« ist noch kein Ende abzusehen. Seit Jahresbeginn gibt es beispielsweise in Bergisch-Gladbach, Neunkirchen (beide NRW) und Celle (Niedersachsen) keine Miegel-Straßen mehr. In Braunschweig steht die Umbenennung auf Antrag einer Bürgerinitiative am 31. Mai auf der Tagesordnung der Ratssitzung.

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