Willkür gegen LINKE-Politiker?

Anwalt Manfred Coppik zum Vorgehen der Staatsanwaltschaft Dresden / Coppik ist Verteidiger des Vorsitzenden der hessischen Linksfraktion, Willi van Ooyen

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig – Willkür gegen LINKE-Politiker?

ND: Die Staatsanwaltschaft Dresden hat im Zusammenhang mit den Massenblockaden gegen den Naziaufmarsch im Februar 2010 bei den Landtagen von Sachsen, Thüringen und Hessen beantragt, die Immunität der Linksfraktionsvorsitzenden aufzuheben. Damals hatten die drei Fraktionen eine gemeinsame Sitzung auf der Straße abgehalten. Was wird den Politikern nun genau vorgeworfen?
Coppik: Die konkreten Handlungen, die angeblich strafbar sein sollen, sind den Beschuldigten bisher nicht mitgeteilt worden. Eine schriftliche Anklage liegt jedenfalls noch nicht vor. Auch nach der Akteneinsicht ist mir unklar, was hier eigentlich strafbar sein soll.

Die betroffenen Fraktionsvorsitzenden beklagen den Versuch der Kriminalisierung von antifaschistischen Protesten und sehen dahinter politische Motive. Können Sie den Vorwurf nachvollziehen?
Wir haben die Lage, dass das Grundgesetz einmal als antifaschistischer Gegenentwurf verabschiedet wurde und in Gedenkreden immer wieder gesagt wird: Wehret den Anfängen. Daher stellt sich schon die Frage, wie man eine friedliche Gegendemonstration kriminalisieren kann und welche Rechte man diesen Protestierenden einräumen oder nicht einräumen will. Das gilt für alle und nicht nur für die Fraktionsvorsitzenden.

Sie sprechen von Willkürverdacht und von einer willkürlichen Missbrauchsverfolgung.
Das hängt damit zusammen, dass andere Verfahren gegen ebenfalls friedliche Demonstranten, die nicht anders gehandelt haben, längst eingestellt worden sind und nur die Vorsitzenden der Linksfraktionen verfolgt werden. So etwas ist willkürlich.

In Thüringen, wo Bodo Ramelow 2010 bereits die Immunität zur Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens entzogen worden war, behandelte der Justizausschuss einen weiterführenden Antrag nicht, der für eine Anklageerhebung nötig ist. Die zuständigen Ausschüsse in Hessen und Sachsen haben ihre Entscheidung zur Immunitätsaussetzung vertagt und von der Staatsanwaltschaft ergänzende Angaben angefordert. Kommt das für Sie überraschend?
Von der Sache her ist das die einzige richtige Entscheidung, denn Strafverfahren, die daran anknüpfen, dass jemand eine Funktion als Fraktionsvorsitzender hat, sind ein schwerwiegender Eingriff in die Autonomie der parlamentarischen Gremien und rechtlich nicht zulässig.

Sie haben vor einem schweren Eingriff in die parlamentarische Tätigkeit der Fraktionen und damit in die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Körperschaft insgesamt gewarnt.
Das Immunitätsrecht soll vor sachfremden politischen Motiven schützen. Es ist entstanden, um demokratisch gewählte Parlamente vor Eingriffen in seine Autonomie und vor Willkür und Verfolgung durch die Exekutive zu schützen. Weil wir hier die Verknüpfung des Verfahrens der Staatsanwaltschaft mit der Ausübung des Amts eines Fraktionsvorsitzenden haben, ist hier ein Kernbereich des Immunitätsrechts betroffenen.

Nun ist die Staatsanwaltschaft wieder am Ball. Womit rechnen Sie?
Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft alles noch einmal überprüft, von einer Sonderbehandlung Abstand nimmt und die Verfahren einstellt. Ebenso nehme ich an, dass sich die Menschen von diesem Verfahren nicht abschrecken lassen und erst recht auf die Straße gehen, um gegen Aufzüge der Neofaschisten zu protestieren.

Interview: Hans-Gerd Öfinger

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