Immer wieder dieses verstörende Plätschern

Gräben in der LINKEN sind zu tief für Versöhnung / Doch was ist die Alternative?

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Heute trifft der Geschäftsführende Vorstand der Linkspartei in Berlin zu einer Krisensitzung zusammen. Auslöser waren Rücktrittsforderungen an Bundesschatzmeister Raju Sharma. Der hatte Parteichef Klaus Ernst aufgefordert, die Klappe zu halten. Doch um Sharma geht es nicht wirklich.

Es ist wie beim Blick in eine Regenpfütze. Einschläge von Regentropfen vermitteln den Eindruck eines siedenden Kessels, die Oberfläche kommt nicht zur Ruhe, Blasen treiben aufeinander zu, bedrängen einander. Doch wenn sie nur tief genug ist, ist unter der Oberfläche der Pfütze alles ruhig. In einer Zeitung wie dem Neuen Deutschland wird jetzt, wenn es um Berichte über den internen Streit der LINKEN geht, wieder überlegt, ob das Wort »Schlammschlacht« für eine Überschrift geeignet ist. Weil Schlamm genau genommen gar nicht zur Anwendung kommt. Und weil man doch weiß, dass der Regen aufhören wird. Und damit das Plätschern.

Doch passt kaum ein Wort besser auf diese Debatten, mit denen die LINKE das Publikum verstört – darunter nicht zuletzt Teile der LINKEN. Steffen Bockhahn, Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, twittert über Sahra Wagenknecht, Vizevorsitzende der Partei: »Und es gibt Leute, die sie für schlau halten. Mir fällt das zunehmend schwer.« Wagenknecht hatte im »Junge-Welt«-Interview »einigen in der Partei« vorgeworfen, sie benutzten die »schlechten Wahlergebnisse als Argument, um einen Personal- und Kurswechsel vorzubereiten«.

Steffen Bockhahn fühlte sich offensichtlich angesprochen von Wagenknecht. So wie vorher Halina Wawzyniak sich offensichtlich angesprochen fühlte von Parteichef Klaus Ernst, der in seiner Rede auf dem Landesparteitag in Hamburg am Wochenende für eine »klare Kante« plädiert und eine »aus den eigenen Reihen angefeuerte Personaldebatte« kritisiert hatte. Sie sei von der Rede ihres Vorsitzenden erschreckt worden. »Ja, erschreckt ist hier das richtige Wort, denn ich sehe in dieser Rede anonym allgemein vorgetragene Anschuldigungen. Diese Art von Anschuldigungen vergiften das Klima.«

Die Klimavergiftung hat inzwischen zur Rücktrittsforderung von Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus und Sahra Wagenknecht an Bundesschatzmeister Raju Sharma geführt. Klaus Ernst solle sich konkret äußern »oder die Klappe halten«, hatte dieser nach dessen Hamburger Rede erklärt. Sharma ist Mitglied des Forums Demokratischer Sozialismus, des Sammelbeckens der »Reformer«, die von anderen gern Realos und wieder anderen Opportunisten genannt werden. Sharma hebt sich von den meisten seiner Amtsvorgänger durch regelmäßige öffentliche Stellungnahmen und Mitautorenschaft an Positionspapieren ab. So dass Albrecht Müller, Spiritus Rector der »Nachdenkseiten« und Vertrauter von Oskar Lafontaine, den Schatzmeister schon mal zum »Schwatzmeister« umdekoriert hat.

Abgesehen davon, dass auch dies als Gift gewirkt haben dürfte, schwingt hier der Vorwurf mit, Sharma käme seiner eigentlichen Aufgabe nicht nach. Meldungen über Finanzprobleme der LINKEN in den letzten Tagen und prompte Dementis sind zusätzlicher Dünger solcher Gerüchte. Die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch und nicht zuletzt der Schatzmeister wiederholten mehrfach, die Partei habe keine Finanzprobleme. Doch gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass der Haushalt der Partei bis Ende Mai einer Generalrevision unterzogen werde. Und in westlichen Landesverbänden werden Befürchtungen geäußert, ihnen sollten – wenn es nach Sharma ginge – Gelder gestrichen werden. Was wieder den Verdacht nährt, politische Absichten hätten zur Generalrevision motiviert. Keine guten selbstverständlich.

Das gegenseitige Misstrauen kulminiert im heutigen Krisentreffen in Berlin. Nach den Rücktrittsforderungen an Sharma hatte dessen Seite in Person von Matthias Höhn um eine Vorstandssitzung nachgesucht. Der sachsen-anhaltische Landeschef war es auch, der vor Tagen mit dem eigenen Rückzug aus dem Vorstand gedroht hatte. »Für einen solchen Führungsstil stehe ich nicht zur Verfügung«, hatte Höhn gesagt, nachdem der Parteibildungsbeauftragte Ulrich Maurer dem sächsischen Landeschef Rico Gebhardt quasi den Mund verboten hatte.

Die Aussichten, dass ausgerechnet heute die Versöhnung gelingt, sind damit gering. Und auch Rücktrittsaufforderungen sind letztlich stumpfe Waffen. Der Vorstand ist in seiner filigranen Ausgewogenheit zum Konsens verdammt, das Patt ist programmiert. Der von Werner Dreibus geforderte Rücktritt – oder eine andere personelle Entscheidung – könnte nur erzwungen werden, wenn Teile des Vorstands den Rücktritt erklärten. Dies würde auf einen Sonderparteitag hinauslaufen. Ihr Amtskollege Dreibus habe sie nicht nach ihrer Meinung gefragt, gibt Caren Lay Auskunft. Sie tut, was bisher immer getan worden ist. Sie appelliert an die Vernunft.

Am 2. Mai ist ein turnusmäßiges Treffen des Vorstands mit den Landesvorsitzenden anberaumt. Bis zu diesem nächsten Termin für eine Entscheidung ist das Plätschern wohl weiter unvermeidlich. Unter der Oberfläche ist nicht mehr alles ruhig. Ein Leserkommentar aus dem Blog »Lafontaines Linke«: »In meiner alltäglichen politischen Arbeit in der LINKEN spielt dieses ganze Geschwätz von FunktionärInnen, die sich hier wohl offensichtlich um ihre Futtertröge streiten, keine Rolle. Wir wollen linke Politik machen, und ich will nicht jeden Tag damit beginnen, mir die neuesten Schwachsinnszitate von unserer Parteiobrigkeit anzutun. Es reicht. Echt jetzt!«

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