Explosion als Warnung

Gasvorkommen verhindern ein atomares Endlager im Salzstock Gorleben

  • Hagen Jung, Dannenberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Salzstock im niedersächsischen Wendland ist als Endlager für Atommüll nicht geeignet. Zu diesem Schluss kommt eine neue Broschüre der Linkspartei.

Gas unter dem Salzstock bedeutet das Aus für Gorleben als Endlager für radioaktiven Müll. Aussagen von Wissenschaftlern und Erkenntnisse aus dem »Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Gorleben« dazu hat die Linksfraktion im Bundestag jetzt in einer Broschüre zusammengefasst.

Der Inhalt des Heftes zeigt, dass das Gasproblem schon vor über 30 Jahren bekannt war. Doch solche und andere gegen ein Endlager Gorleben sprechende Fakten seien durch »Lügen und Kungelei« verdeckt worden. Das betont Dorothée Menzner, Bundestagsabgeordnete der LINKEN. Sie und ihre Parlamentskollegin Johanna Voß sowie Fachreferent Dieter Schaarschmidt – die drei arbeiten im Untersuchungsausschuss mit – präsentierten die Broschüre in Dannenberg auf einem Info-Abend.

Ein Lageplan des Salzstocks ging dort herum. Aus dem Material, mit dem sich der Ausschuss befasst, stammt das Papier. Zeichner der Skizze hätte der CDU-Mann Kurt-Georg Kiesinger sein können, der ab 1966 drei Jahre lang Bundeskanzler war, denn: Für ihn war die DDR kein Staat, sondern, wie er sagte, »das Phänomen«. Klar, dass Phänomene keine Salzstöcke haben. Und so endet derjenige, der bei Gorleben beginnt und sich bis Rambow in Brandenburg erstreckt, auf besagter Karte im Westen an der Elbe. Vermutlich hätten die »Gesundbeter« des Salzstocks diesen Eindruck gern aufrecht erhalten, waren es doch Ereignisse in der DDR, die Gas unter »Gorleben-Rambow« belegten.

Wissend, dass unter Salzstöcken oft viel Erdgas zu vermuten ist, hatte die DDR bei Lenzen nahe Rambow bohren lassen. Am 25. Juli 1969 traf der Bohrkopf auf ein Gasgemisch. Es stand unter einem Druck von über 630 Bar, strömte aus, entzündete sich an einem Auspuff – die gewaltige Explosion war bis in den Westen hörbar. Ein Bohrarbeiter starb, acht wurden schwer verletzt. Wenn in der Vergangenheit dieses Unglück und auch andere Hinweise auf Gas im Zusammenhang mit dem Thema »Gorleben« kritisch hinterfragt wurden, sind Akten »schnell in Schubladen verschwunden«. Diese Erfahrung hat die Linkspartei machen müssen.

Doch ihre Recherchen beweisen, das bundesdeutsche Stellen durchaus ein Auge auf das Thema »Salzstock Gorleben und die DDR« hatten. So wurde eine »Kabinettsvorlage« entdeckt, in der das niedersächsische Wirtschaftsministerium Anfang 1977 Informationen im Vorfeld eines geplanten »Entsorgungszentrums Gorleben« gibt. Die Explosion bei Rambow wird dort ebenso erwähnt wie die »große Wahrscheinlichkeit«, dass sich unter dem Salzstock Gorleben Gas befindet. Eine Erdgasförderung dort könne die Funktion des Salzstocks als atomares Lager »gefährden«. Auf niedersächsischer Seite könne man Erdgasbohrungen verhindern, aber: Falls in der DDR im Salzstock nach Gas gebohrt würde, könnte es zu gefährlichen Verschiebungen kommen. Ob in Gorleben dennoch in einem »geologisch stabilen Teil« des Salzstocks ein atomares Lager eingerichtet werden könnte, müsse untersucht werden.

Seitens der BRD, auch das ergaben Recherchen der LINKEN, war der im »Osten« liegende Salzstock-Teil keineswegs ein Phänomen. So hat es zumindest Bemühungen um bilaterale Gespräche in Sachen Gorleben-Rambow gegeben. Die Verfasser der Info-Broschüre merken an: »Der Hauptgrund von 1977, Gorleben wegen seiner Randlage zur DDR zu wählen, war Ausdruck der Verachtung gegenüber den Menschen jenseits der innerdeutschen Grenze. Radioaktivität kennt keine Landesgrenzen.«

Die Broschüre »Gas unter Gorleben« kann unter der Adresse dokumente.linksfraktion.de/download/110411-gesamtgorleben.pdf herunter geladen werden.

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