Nichts geht mehr, Hartzi ...

  • Ernst Röhl
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz: Nichts geht mehr, Hartzi ...

Auch der Hartz IV-Hartzi hat Anspruch auf ein bisschen Spaß. Zumeist versucht er es mit Glücksspiel, dem Jackpot immer dicht auf den Fersen. Doch nun wird's eng. Das Amtsgericht Köln entschied Ende vergangener Woche, dass die Westdeutsche Lotterie Hartz-IV-Empfängern keine Sportwetten mehr verkaufen darf. Ein Urteil, das Frohsinn bringt, der eine nennt es Mumpitz, der andere Humbug, und die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. Die Glücksfee hinterm Lottoschalter muss bloß den Hartzi als Hartzi identifizieren, und das wird sie schon schaffen. Beim aktuellen Zustand des Datenschutzes steht eine Lottofee gewiss ebenso gut im Stoff wie der ZDF-Terrorismus-Experte Elmar Theveßen.

Die Richter dürfen übrigens nach Herzenslust weiter zocken. Warum? Weil sie verantwortungsbewusst mit Geld umgehen können. Hartzis können das nicht. Die haben einfach zuwenig Übung, weil auf ihrem Konto das Komma zu weit links steht. Deshalb mein Expertentipp für Spielerpersönlichkeiten aus dem Prekariat: Achtet das Gesetz, Kameraden! Meidet den Totalisator auf Trabrennbahnen! Haltet euch fern von den Casinos in Monte Carlo und Las Vegas! Beim Roulette verduftet euer Fünf-Euro-Zuschlag schneller als euch lieb ist.

Zum Glück ist unser Deutschland nicht bloß reich an Hartzis, sondern auch an Leuten, die bestens mit Geld umgehen können. Bei den Fernsehanstalten etwa wimmelt es von einschlägigen Kapazitäten. Um das Brautkleid Ihrer Königlichen Hoheit Catherine Herzogin von Cambridge, ehedem Kate Middleton, würdig ins Bild zu setzen, schickten nicht nur ARD, ZDF und RTL, sondern auch Sat1 je ein mannschaftsstarkes, technisch hoch gerüstetes Team zur Traumhochzeit im Hause Windsor, insgesamt eine größere und kostspieligere Streitmacht, als das Dritte Reich seinerzeit aufbot, um das von ihnen so genannte »perfide Albion« in die Knie zu zwingen. Überglücklich waren die Zuschauer in der Heimat vor allem darüber, dass die beiden mit Gebühren fürstlich finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang haargenau das gleiche mummenschanzartige feudale Volksverdummungsprogramm versendeten. Lieschen Müller-Landrut sagt danke.

Noch mehr Applaus verdient Trick 17b der schwarzgelben Entscheidungsträger. Vor Jahresfrist bejubelte die deutsche Arbeiterschaft tarifliche Lohnerhöhungen von durchschnittlich 0,9 Prozent. Der Freudentaumel war kurz; denn die Inflation schlug gnadenlos zurück. Plötzlich und unerwartet überstieg die Teuerungsrate den Lohnaufschlag gleich um zwei Prozent, Tendenz steigend. Merkwürdig, die Konjunktur brummt, doch der »Arbeitnehmer« zieht mit schöner Regelmäßigkeit die Arschkarte zum Nulltarif. Warum? Weil Schwarzgelb so prima mit Geld umgehen kann.

Ebenso glänzende Rechner sind die Buchhalter der deutschen Kliniken. Derzeit klagen die Krankenkassen darüber, dass jede zweite Klinikrechnung »fehlerhaft« sei. Die Krankenhäuser »verrechnen« sich oft und gern zu ihren Gunsten, denn diese »Rechenfehler« bescheren ihnen geschätzte 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Die Kassen aber haben ein Tapferkeitsdefizit und schrecken im Verdachtsfall vor Kontrollen zurück. Falls die Rechnung zufällig doch mal stimmt, droht ihnen eine geharnischte Strafgebühr. Die Klinik dagegen muss Strafe nicht fürchten, die zahlt bloß die Differenz, das war's dann auch schon. Da sind wir doch alle voller Bewunderung, gell?

Genau wie der Friedrich Merz. Er, dem die Kanzlerin vor Jahren den Weg zum Kanzlerthron verlegte, wirkt seitdem als Wirtschaftsanwalt. Und er ist hart im Nehmen. Die Eigentümer der WestLB zahlen ihm ein »marktübliches« Tageshonorar von 5000 Euro dafür, dass er für ihre abgewirtschaftete Landesbank einen Käufer sucht, bei zwanzig Arbeitstagen monatlich also 100 000 Euro. Für Merz ein gutes Geschäft; denn für lumpige hundert Riesen findet er natürlich keinen. Geld ist nicht alles, hat aber doch einen riesigen Vorsprung vor allem, was danach kommt.

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