Hungriger Diener eröffnet die Saison

Hexenkessel mit Goldoni, Shakespeare und Molière im Amphitheater

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.
Szenenbild im »Wintermärchen«
Szenenbild im »Wintermärchen«

Das Amphitheater ist Baustelle. In mehrfacher Hinsicht. Noch gibt es Arbeiten am Bühnenbau, der zwei Logen dazu bekam. Zeitgleich werden die Inszenierungen geprobt. Das Hexenkessel-Hoftheater bringt in diesem Sommer drei Stücke heraus. Regisseur Jan Zimmermann meint, man könne denken, sie seien von drei verschiedenen Leuten inszeniert. So unterschiedlich sei das Herangehen. Für alle Inszenierungen fungiert er als erster Zuschauer. Gnadenlos streicht er am Jahrhunderte alten Urtext. Was langweilt, fliegt raus.

Alle drei Werke, räumt er ein, seien von ihm schon einmal in den Hexenkessel geworfen worden. Dennoch »kocht« er frisch. Der Amphitheaterbau biete neue Möglichkeiten, er selbst trägt inzwischen ein paar Jahre mehr auf dem Buckel, auch Schauspieler der nun schon zweiten Generation seit Gründung des Ensembles vor 18 Jahren zeigen ihr Können. Feste Größen schließt das nicht aus.

So ist in Goldonis »Der Diener zweier Herren«, dem ersten Sommerstück, die Rolle des stets hungrigen Truffaldino nicht besser zu besetzen als mit Carsta Zimmermann. Sie ist von Anfang an dabei. Damals wusste der Regisseur aber noch nicht, was seine Schwester auf der Bühne leistet. Er gab ihr eine kleine Nebenrolle. Sie räumte ab. Seither ist sie dank ihres komödiantischen Könnens und emotionaler Intelligenz Publikumsliebling. Kurzum, sie leuchtet – ohne Kollegen auf der Bühne mit Schatten zu belegen. Deshalb wird es sicher auch ein Vergnügen, Vlad Chiriac, Laurine Betz und weitere Mimen an ihrer Seite zu sehen. Premiere ist am 4. Juni (bis 3.9., Di.-Sa. um 19.30 Uhr).

Wenn im Hexenkessel-Ensemble auch alle bei dem Wunsch auf einen schönen Sommer wie wild auf Amphitheaterholz herumklopfen, bei der zweiten Inszenierung ab 21. Juni kommt Kälte auf. Um Eis im Herzen geht es in Shakespeares Romanze »Das Wintermärchen«. Die Liebesgeschichte soll »Romeo und Julia« an Tragik übertreffen. Während bei Komödie und Farce Markus Götze für Musik sorgt, setzt Zimmermann hier den Komponisten und Darsteller Franz-Josef Grümmer als Musiker und Erzähler ein. Die elf Rollen werden von Claudia Graue, Andreas Köhler und Roger Jahnke gespielt. Letzterer verantwortet auch die Choreographie aller drei Produktionen. »Das Wintermärchen« ist bis 16.7., Di.-Sa. um 21.30 Uhr, im Amphitheater geplant und vom 11.8. bis 3.9., Do.-Sa. um 20 Uhr auf dem Bunkerdach im Monbijoupark.

Ins Amphitheater gebettet ist derweil bereits Monsieur Argan mit seinem merkwürdigen Leidensweg in Molières »Der eingebildete Kranke«. Die Farce wird vom 21.7. bis 3.9. (Di.-Sa. 21.30 Uhr) gezeigt. Matthias Horn spielt den zweckgebundenen Jammernden. Im vorigen Jahr liebten ihn die Zuschauer als Don Juan. Der Regisseur will den dreietagigen, 25 Tonnen schweren Bühnenbau von David Regehr dafür nutzen, Träume Argans in Szene zu setzen. Er verrät natürlich nicht alles, was ihm da vorschwebt.

Was auch immer andere Medien zu bieten haben – Zimmermann will wieder zeigen, was nur das Theater kann. Er sagt, das Publikum käme zum Arbeiten. Typisch für den Regisseur. Er tippt manches an, das sich in den Köpfen der Zuschauer weiter entwickeln kann und soll. Baustelle bleibt das Areal bis zur ersten Premiere. Man sieht, dass alle, die hier mitwirken, gern dabei sind. Irgendwer hat eine rote Rose im Bühnenbau platziert. Schön steht ihr der sie umgebenen Unrast entgegen. Nicht nur Zimmermann sagt, diese Truppe – von den Leuten hinter der Strandbar über die Bühnenbauer und Techniker bis zu den Schauspielern – sei seine Familie. Intrigen, wie man sie dem Theater an sich zuschreibt, seien hier so etwas wie verfassungswidrig. Da gäbe es kein Pardon. »Sollte ich so etwas wittern, fliegen die Fetzen.«

Amphitheater, Mobijoupark, Monbijoustr., Mitte, Tel.: 288 86 69 99, www.amphitheater-berlin.de

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