Verbrauchen und Herrschen

Über den Zusammenhang von Ökologie und Außenpolitik

  • Edelbert Richter
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Problem kommt in der wachstumskritischen Debatte zu kurz: Wie verhält sich die Frage der Wachstumsbegrenzung zu der internationalen Verständigung? Der Zusammenhang zwischen beiden Fragen ist so eng, dass ohne seine Einbeziehung alle Erörterungen sich am Ende als vergeblich erweisen könnten.

Die Problematik der Grenzen des Wachstums ist nicht neu. Schon vor 40 Jahren stand sie auf der politischen Agenda. Was aber weniger bekannt ist: Die Vereinigten Staaten gingen zunächst voran. Hier entstand schon in der zweiten Hälfte der 60er Jahre eine Ökologiebewegung und setzte bereits 1970 eine entsprechende Gesetzgebungstätigkeit ein. Für die weltweite Verbreitung eines Bewusstseins über die Umweltgefahren hat kaum ein Buch so viel beigetragen wie ein 1980 veröffentlichter Bericht an den Präsidenten: »Global 2000« ging auf einen Auftrag Jimmy Carters von 1977 zurück und sollte der amerikanischen Regierung eine Grundlage zu längerfristiger Planung liefern.

Umso erschütternder war die Wende seit dem Regierungsantritt Ronald Reagans 1980. Für ihn gehörten Umweltschutzmaßnahmen zu dem bürokratischen, wachstumshemmenden Ballast, den es abzuwerfen galt. Am bekanntesten wurde seine zynische Äußerung, die einzige Umweltzerstörung, die er kenne, sei der plötzliche Fall des Laubes im Herbst. Zum umweltpolitisch zuständigen Innenminister ernannte er demonstrativ den Industrielobbyisten und Evangelikalen James Watt. Während die USA in den 1970er Jahren noch führend waren bei den weltweiten Bemühungen zur Familienplanung, strich die Regierung Reagan sämtliche Beiträge für die entsprechenden UNO-Institutionen. Bei der Begrenzung des CO2-Ausstoßes, bei der Artenvielfaltskonvention, beim Schutz der Antarktis und bei der Konvention über den Giftmüllhandel spielten die Reagan- und später die Bush-Administration die Rolle des großen Bremsers. Dass dies alles einherging mit forcierter Aufrüstung und einer Verschärfung des Kalten Krieges (bis Gorbatschow), dürfte noch in Erinnerung sein.

Auf diese Weise hat die US-Regierung zunächst der kulturellen Hegemonie der Linksalternativen ein Ende bereitet, und schließlich sogar den Kalten Krieg gewonnen! Das ist die bittere historische Erfahrung, die es nötig macht, über den Zusammenhang von Ökologie und Außenpolitik nachzudenken: Der Staat, der am ungeniertesten die Überlebensinteressen der Menschheit aufs Spiel setzt, hat offenbar außenpolitisch die größten Chancen!

Das ist keine Erfahrung von gestern, über die man sich heute hinwegsetzen könnte. Denn obwohl der Kalte Krieg zu Ende war, haben die USA weiterhin auf die ökologische Herausforderung in verantwortungsloser Weise reagiert: mit der Fortsetzung ihres wahnwitzigen Energie- und Ressourcenverbrauchs und mit einer Politik, die nur dazu dient, diese inneren Defizite durch Gewalt nach außen zu kompensieren. In Bushs »Krieg gegen den Terror« erreichte diese Zerstörung der ökologischen Perspektive der Menschheit einen Höhepunkt. Aber auch Obama hat bekanntlich in der Klimapolitik wenig erreicht. Wie kann man also unter dem Einfluss einer Hegemonialmacht, die auf der Missachtung der ökologischen Problematik geradezu beruht, überhaupt global ökologische Ziele durchsetzen? Werden durch eine solche Hegemonialmacht nicht alle, auch und besonders ihre Herausforderer (wie z.B. China) unter Zugzwang gesetzt, es ihr gleichzutun? Wird dann aber der Frieden mit der Natur nicht wieder, wie schon so oft in der Geschichte, durch Krieg gegeneinander hergestellt werden? Angesichts dieser Gefahr ist es sicher notwendig, alternative Modelle zu entwerfen. Aber dabei sollte man die Bedingungen ihrer Umsetzung mit bedenken.

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