Hilfe beim Suizid bleibt verboten

Der Deutsche Ärztetag diskutierte kontrovers über Sterbehilfe

  • Lesedauer: 4 Min.

Todkranke Patienten sehnen das Ende oft herbei. Doch wie soll sich ihr Arzt verhalten? Zuletzt sah es nach einer Öffnung hin zur Hilfe bei der Selbsttötung aus. Jetzt erteilen sich die Ärzte ein Verbot.

Kiel (dpa/ND). Die Debatte über Leben und Tod ist so kontrovers, lang und detailliert, dass es einem Delegierten entfährt: Er blicke langsam nicht mehr durch. Doch am Ende war alles klar. Ärzte dürfen den Patienten keinen tödlichen Pillencocktail ans Bett stellen. Hilfe zum Selbstmord ist verboten – und sei der Fall noch so hoffnungslos, die Verzweiflung noch so groß.

Sollen Ärzte Todkranken, die sterben wollen, dabei helfen? Viele Redner auf dem 114. Deutschen Ärztetag wollen kein Verbot. Am Ende sind aber 166 Delegierte dafür und nur 56 dagegen. Geregelt wird die heikle Frage in der ärztlichen Berufsordnung. »Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten«, lautet der schlichte Satz. Nach der bisherigen Berufsordnung dürfen Ärzte das Leben des Sterbenden nur »nicht aktiv verkürzen«.

Eindringlich wirbt der Potsdamer Onkologe Georg Maschmeyer für das Verbot – denn im Grunde komme der Fall gar nicht oft vor. »Manche der Patienten äußern den Wunsch, lieber tot zu sein, als dieses Leiden weiter ertragen zu müssen«, räumt er ein. Doch der Wunsch zum Leben stehe schon nach Stunden meist wieder im Vordergrund, wenn die Leiden effektiv bekämpft würden.

Demnach ist es so: Bei einigen Patienten mit großem Todeswunsch können eine Depression oder die Schmerzen behandelt werden. Bei anderen, die selbst keine Kraft zum Selbstmord mehr haben, wäre das Tötung auf Verlangen – das dürfen Ärzte ohnehin nicht. Doch ist es so einfach? »Der Beistand ist gefordert«, mahnt ein Delegierter. »Es ist keine Hilfe zur Selbsttötung, sondern es ist eine Hilfe, die Würde dieser Menschen zu erhalten«, meint ein anderer. »Brauchen wir eine Formulierung, die nur scheinbar klare Verhältnisse schafft?«, fragt ein Dritter. Ärzte, die mit Leidenden am Ende ihres Lebens zu tun haben, bringe ein Verbot nicht weiter.

Beispiel Krebs: Früher war es oft ein langsames Sterben. Heute geht es den Kranken mit Kombinations- oder Chemotherapie oft lange einigermaßen gut – bis dann die Mittel plötzlich nicht mehr wirken. Der Zustand wird dann schnell schlechter. Ärzte schwenken dann rasch in Richtung sterbebegleitende Therapie um, wenn der Patient das möchte und sich nicht mehr an den Strohhalm der Therapie klammert. Doch was tun, wenn der Betroffene den unausweichlichen Tod akzeptiert und ihn schneller will?

»Unsere Aufgabe ist es, den Patienten dabei zu helfen, zu Ende zu leben«, mahnt eine Delegierte. Der Präsident der Gesellschaft für Palliativmedizin, Friedemann Nauck, tritt vehement für Verbesserungen hierbei ein – bessere Bekämpfung von Symptomen, Luftnot, Schmerzen, Ängsten in flächendeckenden Angeboten. Ein Patient mit Lebermetastasen habe ihn gebeten, in den Tropf tödliche Medikamente zu geben. So wie er ihn sonst um »normale« Medikamente gefragt habe. »Ich habe ihn gefragt, ob ich ihn aufwecken soll, wenn er tot ist.« Nauck sagt: »Über die Ängste müssen wir sprechen.« Eine Delegierte bekennt: »Ich weiß selbst nicht, wie ich mich entscheiden soll heute.« Als Landärztin habe sie schon viele Sterbende begleitet. »Man ist sehr, sehr allein in dieser Entscheidung.«

Der scheidende Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe steht zum Verbot. Doch er meint auch, es gebe wohl Fälle von Hilfe beim Selbstmord, die nie bekannt werden. »Das ist ja ein Zweierbündnis, und einer von den beiden verstirbt. Der andere wird sich nicht selbst anklagen.« Die Ärztekammer machte es sich nicht leicht. Zunächst strich sie aus ihren Grundsätzen die Klarstellung, Hilfe zum Suizid widerspreche ärztlichem Ethos. Seither ist sie nur noch »keine ärztliche Aufgabe« – demnach wäre es etwa für einen Hausarzt kein absolutes Tabu mehr, etwa eine Überdosis Schlafmittel zu beschaffen und dem Patienten in die Hand zu drücken. Dachten Beobachter damals. Doch das Verbot im Berufsrecht wiegt mehr als eine Regelung in den Grundsätzen – Verstöße können zur Aberkennung der Approbation führen.

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