Die Bahn will an S21 weiterbauen

DB-Chef Rüdiger Grube unterbreitet »Kompromissvorschlag« und stößt auf wenig Gegenliebe

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Tauziehen um einen Baustopp für das umstrittene Bahnhofs- und Immobilienprojekt Stuttgart 21 (S21) geht weiter. Die Bahn macht mit einem Kompromissvorschlag Druck auf die Stadt, die »Parkschützer« demonstrieren.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG (DB), Rüdiger Grube, bekräftigte vor Repräsentanten der Landesregierung in Stuttgart am Montag seinen »letzten Kompromissvorschlag« an Stadt und Land. Danach ist die Bahn zur Verlängerung des Baustopps bis zum 15. Juli bereit, falls Stadtverwaltung und Landesregierung für Mehrkosten in Höhe von über 50 Millionen Euro aufkämen. Grube argumentiert, dass bis zu dem »immens wichtigen Datum« Mitte Juli eine definitive Auftragsvergabe an die Tunnelbaufirmen im Volumen von 750 Millionen Euro erfolgen müsse, weil ansonsten eine durch eine Wiederholung der europaweiten Ausschreibung ausgelöste Verzögerung der Arbeiten um 18 Monate drohe. Der DB-Chef hatte noch am Wochenende mit unverzüglichem Weiterbau gedroht, falls Stadt und Land nicht auf seinen Vorschlag eingingen.

Grubes finanzielle Forderungen seien »zum Teil nicht nachvollziehbar«, hatte der neue baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montagmorgen im Deutschlandfunk erklärt. Die DB habe vor der Landtagswahl Ende März »kostenlos« für den abgewählten Ex-Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) den Bau unterbrochen, so Hermann. Daher sei es »erstaunlich, dass jetzt ein Monat Nicht-weiter-Bauen über 50 Millionen kostet« und ein Abwarten bis zum Volksentscheid im Oktober Kosten von über 400 Millionen Euro verursachen solle. Die Bahn müsse die Zahlen also »irgendwie plausibilisieren«, so der Minister.

Hermann sagte, der grün-rote Koalitionsvertrag erwarte von der DB keine vollendeten Tatsachen, »die einem Volksentscheid zuwiderlaufen oder ihn verunmöglichen«. Die DB müsse wissen, dass ein Weiterbau »immer ein hohes Risiko« bedeute, zumal der Volksentscheid »womöglich auch so ausfällt, wie sich die Bahn das vielleicht gar nicht wünscht«. Der kreative Protest gegen »Stuttgart 21« habe »sehr unterschiedliche Menschen« zusammengebracht und »sich immer an die Regeln der Demokratie gehalten«. Seine Regierung werde den zivilen Protest befördern und »alle anderen Formen des unlegitimen und auch des gewaltsamen Protestes zu unterbinden versuchen«, so der Minister. Am Freitag soll bei einem Treffen des Projekt-Lenkungskreises erneut über einen längeren Bau- und Vergabestopp verhandelt werden.

»Wenn Grube nun Entgegenkommen von der Stadt fordert, ist das ein durchsichtiges Manöver und unlauter«, erklärte der Pressesprecher der Stuttgarter »Parkschützer«, Matthias von Herrmann: »Würde die Bahn korrekt, transparent und ehrlich arbeiten und planen, müsste Bahnchef Grube die Stadt nicht unter Druck setzen, mal eben ohne gründliche Prüfung die Menge des abzupumpenden Grundwassers zu erhöhen.« Herrmann erinnerte an »erhebliche Risiken« für Anlieger, Mineralwasserquellen und Bäume im betroffenen Bereich.

Montagmorgen blockierten über 70 Parkschützer einen Baustellenabschnitt. Damit protestierten sie dagegen, dass trotz des vereinbarten Baustopps die Arbeiten am Grundwassermanagement weiter gingen. Für Montagabend riefen Initiativen der S21-Gegner zu einer Demonstration und Kundgebung vor dem Stuttgarter Projekt-Planungsbüro der Bahn auf. Als ein Redner war Klaus Riedel von der Initiative »SPD-Mitglieder gegen S21« angekündigt, die sich inzwischen offiziell dem Aktionsbündnis gegen S21 angeschlossen hat.

Der Platz der SPD dürfe »nicht an der Seite von Immobilienspekulanten und großen Baukonzernen sein, die alles bauen und verkaufen, was Geld bringt«, ist Riedel überzeugt. In den Reihen der S21-Gegner freut man sich unterdessen darüber, dass mit dem 35-jährigen Dejan Perc unlängst ein S21-Kritiker zum neuen Stuttgarter SPD-Kreisvorsitzenden gewählt wurde. Er konnte sich in einer Kampfabstimmung gegen den S21-Befürworter und Stadtrat Ergun Can durchsetzen. Die Spitze der Landes-SPD steht bislang fest zum Bauprojekt. Kommentar Seite 4

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