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Uni in München: Cancel-Konferenz gecancelt

Münchner Universität sagt akademische Veranstaltung ab

Die von Israel sofort nach dem 7. Oktober 2023 zerstörte Islamische Universität in Gaza. Über derartige Verbrechen soll an der Universität München nicht gesprochen werden.
Die von Israel sofort nach dem 7. Oktober 2023 zerstörte Islamische Universität in Gaza. Über derartige Verbrechen soll an der Universität München nicht gesprochen werden.

Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) hat eine für den 28. November geplante Konferenz »Die gezielte Bekämpfung der palästinensischen Wissenschaft« gecancelt. Sie sollte am Lehrstuhl für Arabistik und Islamwissenschaft mit vier Mitgliedern palästinensischer Universitäten stattfinden. Die Hochschule gab bekannt, es hätten »Zweifel« bestanden, ob es sich um eine Veranstaltung »auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«. Die Absage sei dann aber »einvernehmlich« mit dem verantwortlichen Professor beschlossen worden.

Offenbar ging es der LMU um eine vermeintliche Einseitigkeit der Perspektiven auf den Gaza-Krieg. In dieses Horn stieß Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle. Der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume begrüßte die Cancel-Entscheidung und erklärte, bayerische Hochschulen seien »ganz sicher kein Forum für politische Propaganda oder gar Hass und Hetze«. Die CSU-Landtagsfraktion erklärte, Antisemitismus und die Verherrlichung von Terror hätten an Universitäten keinen Platz.

Allerdings ist fraglich, was das Thema der unter Druck gesetzten palästinensischen Wissenschaft mit Antisemitismus oder Terrorverherrlichung zu tun haben soll. Geplant waren je zwei Vorträge zu »Scholastizid« in Gaza und »Israels karzerales System«. Sowohl die systematische Zerstörung von Bildungseinrichtungen in Gaza – wo Israel sämtliche Universitäten zerstört hat – als auch systematische Misshandlungen palästinensischer Gefangener sind beispielsweise belegt.

Die Kampagne gegen die Konferenz geht auf ein »Netzwerk jüdischer Hochschullehrer*innen« zurück, das dazu einen offenen Brief an den LMU-Präsidenten und den bayerischen Antisemitismusbeauftragten schrieb: Die Vortragstitel würden »in Teilen von extremismennahen Kampagnen verwendet« und seien »emotional aufgeladen«. Zudem sei die gesamte Veranstaltung »ausschließlich mit palästinensischen Referenten besetzt« – bei einer Konferenz zur Verunmöglichung palästinensischer Wissenschaft eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Beanstandet wird auch die Verwendung des Wortes »Genozid«.

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In einer gemeinsamen Stellungnahme kritisieren die Allianz für kritische und solidarische Wissenschaft (Krisol) und das Gremium für Wissenschaftsfreiheit der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient die Absage als schwerwiegenden Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. Die palästinensischen Wissenschaftler würden »qua Herkunft« abgewertet. Die Netzwerke fordern die LMU auf, die Absage zurückzunehmen, Garantien für akademische Freiheit auszusprechen und palästinensische Stimmen aktiv vor Diskriminierung zu schützen.

Die LMU bekräftigt indes, dass sie »nicht für Verbote« stehe. Einen solchen intellektuellen Purzelbaum schlägt auch die CSU in ihrem Statement: »Es geht nicht darum, Diskussionen oder Meinungen zu unterdrücken, sondern die Universitäten als Räume des freien und angstfreien Diskurses zu bewahren.«

Die von Israel sofort nach dem 7. Oktober 2023 zerstörte Islamische Universität in Gaza. Über derartige Verbrechen soll an der Universität München nicht gesprochen werden.
Die von Israel sofort nach dem 7. Oktober 2023 zerstörte Islamische Universität in Gaza. Über derartige Verbrechen soll an der Universität München nicht gesprochen werden.

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