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Mehr als Rechtsrock

Verfassungsschutz Brandenburg nimmt »extremistische« Musik ins Visier

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 4 Min.
23 neonazistische Bands erfreuen sich in Brandenburg ungebrochener Beliebtheit. Eine Tagung des Verfassungsschutzes beschäftigte sich aber nicht nur mit »extremistischer« Musik von rechts. Auch islamistische Musiker und linke Punkbands werden von den Sicherheitsbehörden als Gefahr insbesondere für Jugendliche eingestuft.

Dröhnende Bässe, schnelle E-Gitarren und mehr Geschrei als Gesang, so klingt nach Ansicht des Verfassungsschutzes (VS) Brandenburg Musik, die »Extremisten« vor allem mögen und verbreiten. Bei der Fachtagung zum Thema »Extremismus und Musik« berichteten die Referenten des Landesamts, Wissenschaftler und Journalisten nicht nur über die vermeintlich extremistischen Liedtexte. Viele Bands wurden den 200 Zuhörern am Donnerstag auch akustisch vorgestellt. Wohl zum ersten Mal erklang so im Brandenburg-Saal der Potsdamer Staatskanzlei ein Black Metal-Titel.

Von besonderer Bedeutung sei die »rechtsextremistische Hassmusik«, wie sie Innenminister Dietmar Woidke (SPD) in seiner Eröffnungsrede nannte. Dabei benutzte er den Begriff »Hassmusik« allerdings nicht in seinem ursprünglichen Sinne. Denn so wurden zunächst Lieder aus den Genres Reggae und Dancehall bzw. zumeist jamaikanischer Musiker bezeichnet, die Homosexuelle beleidigen und zu Gewalt gegen sie aufrufen. Für Woidke und die Sicherheitsbehörden ist hingegen Gewalt gegen den Staat und die Polizei das Hauptkriterium. Hass sei demnach in bestimmten Kreisen die »zentrale Grundeinstellung, um die das ganze Leben kreist«. Und Musik diene als Mittel, junge Menschen in den Sog des Hasses zu ziehen.

Mehr Neonazi-Konzerte

Von Musik mit menschenverachtenden, rassistischen Botschaften und Gewaltaufrufen ließen sich auch brandenburgische Rechtsextremisten aufputschen, so Woidke. In Brandenburg sind derzeit 23 Neonazi-Musikgruppen bekannt, so viele wie in kaum einem anderen Bundesland. Lediglich in Sachsen liegt die Zahl mit 29 Bands und Bandprojekten höher.

Grund zur Sorge bieten aber vor allem die wieder zunehmenden Rechtsrock-Konzerte. Waren es 2010 nur vier, haben in diesem Jahr bereits acht solcher Veranstaltungen stattgefunden – fünf davon in Oranienburg auf dem Gelände der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD.

»Alle Bands machen ähnliche Musik im Rechtsrock- und Skinhead-Stil«, berichtete Gordian Meyer-Plath für den VS. Darunter wird auch der von den »Autonomen Nationalisten« besetzte »Hatecore« gefasst. Die Männer von »Hassgesang« haben Lieder wie »Wehr Dich« und »Die letzten Deutschen« aber auch in Akustikversionen aufgenommen und können als »verlängerter musikalischer Arm« des Internetprojekts »Spreelichter« aus Südbrandenburg angesehen werden. Das Bandprojekt »Natürlich« aus Potsdam ist dagegen eine musikalische Ausnahme in der Nazi-Szene Brandenburgs. Mit Sprechgesang auf Elektrobeats fordern sie »Nationaler Sozialismus jetzt, jetzt, jetzt«. Meyer-Plath glaubt nicht, dass sich dieser Stil durchsetzen wird. Er wies auf die Gefahr ausgehend von Internetradios und Cloud-Computing hin, wodurch Nazis ihre Musik einfach verbreiten können und die Konsumenten sie nicht mehr auf Tonträgern erwerben müssen sowie nicht mehr auf ihren PCs zu speichern brauchen.

Einen weiteren Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit »Hassmusik« bildete bei der VS-Konferenz der von faschistischem und neurechtem Gedankengut durchsetzte Black Metal, über den der Kultur- und Musikwissenschaftler Manuel Trummer von der Universität Regensburg aufklärte. Mitte der 1990er Jahre habe sich »NS Black Metal« mit der Abwendung vom Satanismus und der Hinwendung zur White Power- und Skinhead-Szene formiert. Trummer warnte aber davor, Heavy Metal pauschal als rechts zu verurteilen. Diese Musikrichtung sei in den letzten Jahren sehr stark

»skandalisiert« worden. Islamisten und Punkbands

»Auch Islamisten haben Musik als Träger ihrer Botschaften entdeckt«, wies Woidke auf den Vortrag des Islamwissenschaftlers Jochen Müller hin. Er informierte die anwesenden Mitarbeiter der Dienste und Verwaltung, Pädagogen und Wissenschaftler über die Ambivalenz, mit der salafistische Gruppen in Liedern islamistische Positionen verbreiten und gleichzeitig ein Musikverbot predigen. Daher würden die »Naschid« genannten Gesänge oft ohne Instrumente gespielt und relativ friedlich klingen, gleichzeitig aber gefährliche Botschaften in sich tragen.

Ins Visier des brandenburgischen Landesamts sind aber auch Punkbands geraten, »die Hass gegen den Staat und Gewalt gegen die Polizei zu schüren versuchen«. Woidke zeigte sich daher erfreut über die jüngste Indizierung des Slime-Albums »Slime I«. Mit Indizierung, Strafverfolgung sowie Aufklärung müsse konsequent gegen »Hassmusik« vorgegangen werden. Meyer-Plath gab allerdings zu, dass es schwierig sei, die wenigen »linksextremistischen« Bands – bisher seien für Brandenburg sieben solcher Musikgruppen bekannt – überhaupt zu identifizieren. Dass dies auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass Angehörige der linke Szene vor allem gegenüber Personen seltener gewalttätig sind, konnte aus Zeitgründen nicht diskutiert werden.

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