Theater, Straße: Chöre, Massen

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Wer in diesen Tagen von den Griechen hört, der kann in assoziative Gefahr geraten, an Götter zu denken. An deren Hinauswurf damals aus ihrem hohen Richtersitz über der Menschheit – so heftig und unwiderruflich dieser Rausschmiss, dass alle Gewitter der Welt aufblitzten und niederdonnerten und Aischylos seine schneidende, demokratiegründende »Orestie« schrieb – und gleich nach ihm dann, als seien die griechischen seine eigenen Lebzeiten, Einar Schleef seine Chöre auf die Bühnen wuchtete (Foto oben: Baltzer, aus »Verratenes Volk«).

Chöre, die Politik definierten nach altem, altem Vorbild: als Freiheit, »mit den Vielen redend zu verkehren« (Hannah Arendt). Sinnbild für die Schaffung einer Staatlichkeit, die von Bürgerschichten getragen wird. Die hinausgetragen wird. In jene freien (Straßen-)Räume, die das bezahlte Politikpersonal gern meidet und abwertet als »vorpolitischen« Raum. Vorpolitisch, das klingt wie etwas, das man vorkocht. Um es dann weichzukochen, etwa für Gehorsam und Gefügigkeit. Die Griechen brachten die Demokratie, die Götter wurden brotlos, gingen also endgültig in die Kunst ein, aber schon Hölderlin sah das Elend der Praxis, das derzeit auch die Griechen wieder aufmischt (Foto unten: AFP). Vormals, so der deutsche Hölderlin, richtete Gott. Könige. Weise. »wer richtet denn itzt?/ Richtet das einige Volk? Die heilge Gemeinde?/ Nein! O nein! Ein Natterngeschlecht! Feig und falsch ... O im Namen ruf ich,/ Alter Dämon! Dich herab/ Oder sende/ Einen Heiden/ Oder die Weisheit.« Aber wer kommt? Schaue man sich die Zeitungsfotos an: Oberhäupter nur, kopflos.

Wer Politik erleben will, gehe ins Theater – die alten Griechen-Chöre dort wissen noch immer besser als wir, wie es mit uns ausschaut. Die wir im ewigen Vorfeld dessen herumzappeln, was uns Aischylos und Co. als Utopie entwarfen. hds

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