Wo liegt die unterste Grenze?

Timo Lange über Meldepflichten für Parteispenden / Timo Lange ist Politikwissenschaftler und bei LobbyControl zuständig für Parteispenden und Nebeneinkünfte von Politikern

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Wo liegt die unterste Grenze?

ND: Im Dezember 2009 hat die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO), deren Gründungsmitglied Deutschland ist, einen Bericht zur Transparenz der Parteienfinanzierung vorgelegt. Bis zum 30. Juni 2011 hatte Deutschland demnach Zeit, einen Bericht über die Umsetzung der darin enthaltenen Empfehlungen vorzulegen. Am Mittwoch beschäftigte sich nun der Innenausschuss des Bundestages mit dem Thema. Ist das nicht ein bisschen spät?
Lange: Das ist auf jeden Fall zu spät. GRECO hat einen Bericht über die Umsetzung der Empfehlungen erbeten. Doch von einer Umsetzung sind wir noch sehr weit entfernt. So konnte bei der Sitzung des Innenausschusses noch nicht mal eine Stellungnahme verabschiedet werden. Das Thema wurde vertagt und steht nächste Woche wieder auf der Tagesordnung.

Was steht in dem Bericht ?
GRECO kommt zu dem Schluss, dass es in Deutschland große Lücken in der Transparenz der Parteienfinanzierung gibt. Das betrifft zum Beispiel die Offenlegungsgrenzen – ab denen Parteispenden publik gemacht werden müssen.

Wo liegen die Grenzen im Augenblick?
Die Grenze für eine unmittelbare und zeitnahe Veröffentlichung liegt bei 50 000 Euro. Das soll laut Bericht aber deutlich gesenkt werden. Unter 50 000 Euro liegt der nächste Grenzwert dann bei 10 000 Euro. So müssen alle Spenden über 10 000 Euro in den Rechenschaftsberichten der Parteien veröffentlicht werden.

Also erst im darauf folgenden Jahr?
Ja. Die Öffentlichkeit erfährt so erst zwölf bis 18 Monate später, wer gespendet hat.

Wo liegt die unterste Grenze, ab der die Öffentlichkeit nicht unterrichtet werden muss?
Das sind Spenden unter 10 000 Euro. Auch hier empfiehlt GRECO eine Absenkung des Grenzwertes. Wir haben erlebt, wie durch Stückelung von Spenden unter jeweils 10 000 Euro große Summen an die Parteien geflossen sind.

Können Sie Beispiele nennen?
Es wird vermutet, dass der Spielautomatenbetreiber Gauselmann einige seiner Mitarbeiter knapp unter der 10 000 Euro-Grenze an Parteien spenden ließ. Insgesamt etwa eine Million Euro.

Die Spenden gingen nur an Parteien, nicht an Abgeordnete?
Das ging direkt an die Parteien. Das Thema Direktspenden an Abgeordnete ist ein weiteres, das von GRECO unter die Lupe genommen wurde. Hier wurde festgestellt, dass das ein großes Einfallstor für finanzielle Einflussnahme ist. Denn die Offenlegungspflichten sind nicht im Parteiengesetz geregelt, sondern lediglich in den Verhaltensregeln für die Abgeordneten. Das heißt, hier gibt es noch mehr Nachbesserungsbedarf. Zum Beispiel in der Hinsicht, dass bei Direktspenden an Abgeordnete auch große Beträge an Bargeld gespendet werden können. Bei Parteispenden ist das nur bis 1000 Euro möglich, bei Abgeordnetenspenden gibt es diese Grenze nicht.

Hat es Folgen, wenn Deutschland die Empfehlungen von GRECO ignoriert?
Nein, es gibt keine Sanktionen. Aber Deutschland stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus, wenn es als Gründungsmitglied dieser Staatengruppe gegen Korruption den Empfehlungen nicht einmal die entsprechende Aufmerksamkeit widmet. Die Bundesregierung hat die Empfehlungen zurückgewiesen und sieht keinen Handlungsbedarf.

Fragen: Fabian Lambeck

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