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Mit Facebook gegen teure Mieten

DGB und Diakonie fordern soziale Wohnungsbaupolitik und nutzen Internetportal zur Vernetzung

  • Jenny Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berliner Wohnungsbaupolitik muss wieder mehr soziales Engagement zeigen. Das forderten der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg (DGB) und die Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesiche Oberlausitz am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz. »Es kann nicht sein, dass Tausende Berlinerinnen und Berliner an den Rand der Stadt verdrängt werden. So entstehen gettoähnliche Bezirke«, mahnte Susanne Kahl-Passoth, Direktorin der Diakonie.

Nach dem Motto ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen haben sich DGB und Diakonie vier Monate lang mit falscher Identität in soziale Netzwerke wie Facebook eingeschleust, um einen »realen Einblick« in die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu bekommen. Unter dem Namen »Mike InBerlin« habe man den Austausch mit Betroffenen gesucht, die man normalerweise nicht erreichen könne, weil sie keine Beratungsstellen aufsuchen, erklärte Diakonie-Sprecherin Christiane Lehmacher-Dubberke. Deutlich geworden sei, dass nicht nur Hartz IV-Empfänger, alte Menschen und Migranten von Verdrängung in Folge von Mietpreisexplosionen betroffen sind, sondern auch Teile der Mittelschicht, besonders Alleinerziehende.

Die Mieten seien vor allem durch steigende Betriebs- und Heizkosten in die Höhe geschnellt, so Diakonie und DGB. Viele Menschen versuchten daher auf günstigere Wohnungen auszuweichen oder würden vom Jobcenter dazu verpflichtet. 1200 Zwangsumzüge habe es 2010 gegeben. Das seien doppelt so viele gewesen wie im Vorjahr. Problematisch sei, dass dem Wohnungsmarkt jedes Jahr durchschnittlich 3500 Wohnungen durch Abriss oder Zweckentfremdung verloren gingen. Kostengünstige Wohnungen in innerstädtischen Bereichen seien kaum noch verfügbar. Bei kleinen Wohnungen unter 40 Quadratmetern sei der Mietpreis bereits überproportional um 14,8 Prozent gestiegen.

Dagegen hätten die Jobcenter ihre Sätze für die Wohnkostenübernahme teilweise seit sechs Jahren nicht mehr erhöht. 378 Euro (Brutto/Warm) beträgt der Höchstsatz für einen Ein-Personen-Haushalt, »für dieses Geld eine Wohnung zu bekommen, ist sehr schwer«, so das Urteil von DGB-Vorsitzender Doro Zinke. »Darum ist es erforderlich, mit staatlichen Förderinstrumenten neuen Wohnraum zu bauen«, ergänzte Kahl-Passoth.

DGB und Diakonie stellten drei Hauptforderungen auf. Zum einen sollen öffentliche Wohnungsbauunternehmen stärker in die Pflicht genommen werden, günstigen Wohnraum anzubieten. Zum anderen sollen die Richtwerte der Jobcenter für Miet- und Heizkostenübernahme an den Berliner Mietspiegel angepasst werden. Die landesweite Pauschale soll abgeschafft werden, um auf bezirksspezifische Mietpreise eingehen zu können. Schließlich sprachen sich DGB und Diakonie dafür aus, die Zweckentfremdung von Wohnraum, etwa durch Umwandlung in Ferienwohnungen, zu stoppen.

Nachdem die Identität von »Mike InBerlin« gestern offiziell bekannt gegeben wurde, soll dessen Facebook-Portal nun zur Vernetzung genutzt werden. Initiativen und Bürgerbewegungen, die sich mit Mietsteigerung und Gentrifizierung befassen, aber auch Einzelpersonen sind aufgerufen, sich mit Mike zu verbinden. »Wir wollen ein gemeinsames politisches Vorgehen ermöglichen«, so Kahl-Passoth. Ihre Sprecherin Lehmacher-Dubberke schwärmte: »Wenn sich alle kleinen Kiezinitiativen zusammenschließen, kämen Zigtausende auf die Straße.«

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