Selbst Gott hat nicht die Bestnote

Auf einer Internet-Plattform bewerten Gemeindemitglieder die Arbeit der Oberhirten

  • Brigitte Vordermayer, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter dem Motto »Auch Gott braucht Feedback« ging unlängst das kommerzielle Bewertungsportal für evangelische und katholische Geistliche online. Margot Käßmann etwa schneidet dort nur mittelmäßig ab.

Frankfurt am Main. Was hat ein Pfarrer mit Staubsaugern, Tiefkühlpizza und Anti-Schuppen-Shampoo gemeinsam? Ja, er kann helfen, Ordnung im Leben zu schaffen, Hunger zu lindern oder Probleme wegzuwaschen. Doch das ist an dieser Stelle nicht des Rätsels Lösung. Gemeinsam ist ihnen vielmehr, dass sie alle sich auf Bewertungsportalen im Internet kritisieren lassen müssen.

3,9 für Papst Benedikt

Doch während man sich bei Staubsauger, Pizza und Shampoo sich längst an diese Form öffentlicher Beurteilung gewöhnt hat, sorgt das Pfarrer-Rating hirtenbarometer.de für Aufregung. Unter dem Motto »Auch Gott braucht Feedback« ging das kommerzielle Bewertungsportal für evangelische und katholische Geistliche vor wenigen Monaten online.

Hinter eem Projekt stecken Jungunternehmer aus Karlsruhe. Einer von ihnen ist Andreas Hahn. »Die Idee von Hirtenbarometer ist, dass auch pastorale Arbeit Qualität haben soll«, sagt er. Deshalb wolle die Seite einen Dialog darüber ermöglichen, was gut laufe und was nicht.

»Eine unglaubwürdige und von sich selbst eingenommene Pastorin«, beurteilt ein Nutzer dort Margot Käßmann. 206 Menschen haben auf hirtenbarometer.de bisher über die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) abgestimmt. Das Ergebnis des vermeintlichen Publikumslieblings: mäßige 3,14 von maximal sechs Punkten.

Käßmann, Kardinal Joachim Meisner (3,64) oder Papst Benedikt (3,9) – alle sind sie auf der OnlinePlattform vertreten, auch der eigene Dorfpfarrer. In den Kategorien Gottesdienst, Glaubwürdigkeit, Am Puls der Zeit, Jugend- und Seniorenarbeit können Nutzer bis zu sechs Punkte vergeben. Wer möchte, kann außerdem einen Kommentar hinterlassen. Richtig viele »schwarze Schafe« gibt es bisher unter den etwa 8000 bewerteten Geistlichen kaum.

Auch der »Oberhirte« Gott hat ein Barometer-Profil. Wegen Mängeln bei Glaubwürdigkeit und Jugendarbeit kommt er nur auf 5,18 von den sechs möglichen Punkten.

»Eine Internet-Plattform, auf der man seine Meinung ohne Scheu äußern kann, ist wunderbar für Menschen, die sich schwer tun im persönlichen Gespräch«, meint der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich (3,13). Für problematisch hielte er jedoch, wenn sich die Seite als Rankingliste verstehen würde. Auch wenn das EKD-Ratsmitglied die Idee gut findet, nutzt er die Seite »eher selten«. »Für eine konstruktive Rückmeldung ist am besten immer noch das persönliche Gespräch, ein Brief oder eine E-mail geeignet«, sagt Friedrich.

Interesse an Rückmeldung

»Wir finden grundsätzlich Feedback gut, wenn es dem besseren Miteinander dient«, erklärt der Verband evangelischer Pfarrer in Deutschland. Jedoch müssten sich Bewerter und Bewertete dafür auf einer »glaubwürdigen Beziehungsebene« treffen. Bei anonymen Plattformen im Internet sei das meist nicht der Fall.

Sei es im Hirtenbarometer oder in der Zeitschrift »Chrismon Plus« – es gibt ein vermehrtes Interesse an offener Rückmeldekultur. Zwar wurden Pfarrer schon immer bewertet, sei es an der Wursttheke oder im Wirtshaus. »Aber diejenigen, die den Gottesdienst gestaltet haben, erfahren darüber meist am wenigsten«, sagt Folkert Fendler, Leiter des EKD-Zentrums für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst.

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