Kluges Biest

Michaela Karl über Dorothy Parker

  • Lilian-Astrid Geese
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Leute wollen ein Happy End«, hält Hollywood-Produzent Samuel Goldwyn einmal Dorothy Parker bei einem Streit um ein Filmskript entgegen. Hätte sie nicht nahezu alle ihrer Weggefährten überlebt, ihr Tod wäre gewiss vom dem ein oder anderen ganz im Stil der zornigen alten Dame Parker als Happy End bezeichnet worden. Zeitlebens hat Dorothy Parker, die Ikone New Yorks, niemanden geschont. Am wenigsten die anderen.

Drei Mal versuchte sie sich am Suizid, bis sie resigniert aufgab und weiter lebte. Drei Mal war sie schwanger und erlitt Fehlgeburten, bis sie Dackel, Pudel und andere skurrile Hunderassen zu ihrer Ersatzfamilie erkor. Drei Männern schenkte sie ihr Herz, um es gemartert und gequält zurück zu bekommen. Dorothy Parker war eine intensive Frau, mit einer geradezu alles und alle absorbierenden Persönlichkeit. Sie in der ersten deutschsprachigen Biografie überhaupt zu würdigen, ist Michaela Karl (»Bayrische Amazonen«, »Die Münchner Räterepublik«, und »Streitbare Frauen«) gut gelungen. Gekonnt und spannend erzählt Karl die Geschichte einer mutigen und selbstbewussten Frau, die nach wie vor zu den meist zitierten Kolumnistinnen Amerikas gehört. Die eine der wenigen ist, die – obwohl weder reich noch schön, weder treu noch edel – den Menschen in Erinnerung bleiben sollte. Denn Dorothy Parker ist klug, witzig, charmant und großzügig, doch auch eine gnadenlose Trinkerin und oft genug ein echtes Biest gewesen. Sie hielt sich beruflich an keine Zusage und verbrachte Jahrzehnte ihres Lebens mit dem Cocktailglas in der Hand auf Partys. Ihr beißender Spott richtete sich gegen die Selbstherrlichkeit und Bigotterie der »besseren« Gesellschaft und deren Plagiate. Ihr Herz aber schlug für den Kampf gegen Faschismus und Rassismus in Europa und im eigenen Land.

Sie demonstrierte für die Begnadigung von Sacco und Vanzetti, sympathisierte mit der Kommunistischen Partei, arbeitete in ihren Massenorganisationen. Und setzte sich für die Rechte der Frauen ein. Die Literaturkritikerin schrieb für »Vanity Fair«, »Vogue«, »The New Yorker« und »Esquire«. Sie publizierte Kurzgeschichten und Gedichte und verfasste zahlreiche Drehbücher für Hollywood und den Broadway. Das FBI hatte sie im Visier, und unter McCarthy stand auf der »Schwarzen Liste«. Es ist ein pralles Leben, atemlos geführt, nacherzählt von Michaela Karl, die wunderbar die Balance wahrt, die Parker selbst nie wahren konnte. Sie bringt uns eine Frau nah, die auf den ersten Blick wenig sympathisch scheint und gleichwohl die Menschen rührte.

Dorothy Parker wurde am 22. April 1893 als Dorothy Rothschild in Long Branch/New Jersey geboren und starb am 7. Juni 1967 in New York. Die Rechte an ihren Texten vermachte sie Martin Luther King und der NAACP (National Association for the Advancement of Colored People). Noch sechs Jahre nach der Einäscherung, berichtet Karl, stand ihre Urne im Krematorium, weil niemand sie abholte. Danach lagerte sie 15 Jahre in der Kanzlei ihres Anwalts Oscar Bernstien. Erst 1988 entstand am Hauptsitz der NAACP in Baltimore der Dorothy Rothschild Parker Memorial Garden, wo sie ein Grab erhielt. Eigentlich war sie New Yorkerin, und nichts als das. Eine, über deren Werk und Leben hier viel zu wenig bekannt ist. Nehmen Sie also einen Drink, zünden Sie sich eine Zigarette an und reisen Sie zurück in eine Zeit, in der Sex in the City viel mehr als klinisch-sauberes Geplauder über Schuhmode und das beste Body-Shape-Studio der Saison war.

Michaela Karl: »Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber«. Dorothy Parker. Eine Biografie. Residenz Verlag. 281 S., geb., 24,90 €.

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