Stolpe soll noch mal gegauckt werden

SPD-Fraktion lehnt erneute Stasi-Überprüfung des Ex-Ministerpräsidenten ab

Eine anständige Arbeit zu haben, von der sie auskömmlich leben können, und gute Bildung für ihre Kinder – das ist den Brandenburgern wichtig. Die Enquetekommission zur Aufarbeitung der Nachwendejahre ist den Bürgern jedoch völlig egal. Das erkannten die Abgeordneten der Linkspartei, die in der Sommerpause des Landtags Sprechstunden unter freiem Himmel abhielten und den Menschen zuhörten.

»Manche Themen, die wir im Landtag ausführlich diskutieren, interessieren die Leute gar nicht so sehr«, weiß nun auch Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser ganz genau.

Trotzdem macht die Enquetekommission am Freitag wahrscheinlich unbeirrt da weiter, wo sie vor den Ferien aufgehört hat. Es heißt, der Historiker Helmut Müller-Enbergs wolle beantragen, dass ein neues Gutachten zu etwaigen Stasi-Verstrickungen des früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) erstellt wird.

SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher hält nichts von einer erneuten Stasi-Überprüfung Stolpes. »Das ist seit 15 Jahren abgeschlossen. Da ist nichts Neues zu erwarten«, sagte Holzschuher gestern. Die Funktion Stolpes in der DDR zu untersuchen sei definitiv nicht Auftrag der Enquetekommission, die eigentlich an die Zukunft denken müsste. Holzschuher kündigte an, dass die SPD gegen den Vorstoß stimmen wird.

Auch Linksfraktionschefin Kaiser hält es – zumindest »im Augenblick« – nicht für richtig, dass sich die Kommission eine Stasi-Überprüfung Stolpes auf den Tisch zieht. Die Rolle des ehemaligen Ministerpräsidenten in der Geschichte sei für sie nachvollziehbar anhand der schon bekannten Dinge und Äußerungen, meinte Kaiser. Wie die LINKE abstimmt, wollte sie aber nicht vorhersagen. »Das möchte ich erst einmal diskutieren«, erklärte Kaiser. Sie zeigte sich gern bereit, über Stolpe zu debattieren. Nur scheint ihr Müller-Enbergs Vorschlag nicht der richtige Weg zu sein.

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, erklärte, seine Behörde erhalte immer wieder Anfragen von Journalisten zu Manfred Stolpe. Die Akten würden immer wieder zur Verfügung gestellt, »auch Dinge, die neu einsortiert worden sind«. Jahn bescheinigte Brandenburg Fortschritte bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Zwar sei bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte »eine gewisse Zeit verschlafen« worden, doch finde mittlerweile eine »lebendige Aufarbeitung statt«.

Die SPD benannte am Dienstag den 1962 in Mannheim geborenen Ingo Juchler als neuen Experten für die Enquetekommission. Juchler arbeitet als Professor für Politische Bildung an der Universität Potsdam. Er ist SPD-Mitglied. Für die Enquetekommission hat er sich bereits als Gutachter betätigt. Sein Thema war dabei die DDR als Unterrichtsstoff an den Schulen.

»Was die Vergangenheit betrifft, sind LINKE und SPD in Brandenburg miteinander klar«, betonte Kaiser angesichts der Kontroverse um Äußerungen zum 50. Jahrestag des Baus der Berliner Mauer. Auch Tage nach dem Jubiläum am 13. August will das Gerede darum nicht abreißen, dass die LINKE-Bundesvorsitzende Gesine Lötzsch den Mauerbau eine logische Folge des Zweiten Weltkriegs nannte. Dass der Mauerbau eine Konsequenz des Zweiten Weltkriegs war, steht für Kerstin Kaiser fest. Dass es eine logische Folge gewesen sei, wäre zu viel gesagt, da es ja auch andere Möglichkeiten gegeben hätte. Kaiser versicherte, dass Lötzsch die Mauer keinesfalls habe relativieren wollen. Leider gebe es manchmal Interpretationsspielräume. Angesichts der anstehenden Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern »wäre eine eindeutige Position besser gewesen«. Zu den Vorkommnissen bei den Sozialisten in Mecklenburg-Vorpommern sagte Kaiser: »Wer sich zum Gedenken an die Opfer nicht erhebt, der hat nichts gelernt aus der Geschichte.«

Eine Belastung der rot-roten Koalition durch die Mauerkontroverse vermag SPD-Fraktionschef Holzschuher nicht zu entdecken. Er habe zwar Äußerungen von LINKEN gehört, die er inakzeptabel finde, nichts dergleichen jedoch von einem Landespolitiker aus Brandenburg. Kaiser hatte geäußert: »Den 13. August 1961 aus der Geschichte zu erklären, heißt für uns nicht, die Mauer politisch oder moralisch zu rechtfertigen. Jedes Todesopfer war eines zu viel.«

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