Renate aus dem Gruselkabinett
Grünen-Spitzenkandidatin widmet sich bei der Immobilienwirtschaft dem Thema Wohnungspolitik
Nein, den Vorwurf, dass Renate Künast sich den Wahlkampf einfach machen würde, kann man ihr nicht machen. Wie käme sie sonst auf die Idee, bei der Berliner Immobilienrunde über die Ziele grüner Wohnungspolitik zu referieren? Einer Veranstaltung, bei der ihr Vorredner, ein norwegischer Immobilienfondsmanager, als größte Gefahr für die Rendite mögliche Maßnahmen der Politik sieht. Um die Wartezeit bis zu Künasts Auftritt zu überbrücken, erkundigt sich der Moderator bei den Zuhörern, wer denn bei der letzten Bundestagswahl sein Kreuz bei den Grünen gemacht habe – ein herzliches Lachen erfüllt daraufhin den Saal des großen Hotels an der Friedrichstraße.
Diese Szene hat die Grünen-Spitzenkandidatin der anstehenden Abgeordnetenhauswahl nicht mitbekommen. Stattdessen erfährt sie von einer Leserumfrage der Zeitschrift »Immobilienwirtschaft« aus dem Jahr 2009, bei der immerhin 14 Prozent der Teilnehmer den Grünen ihre Stimme geben wollten, immerhin fast doppelt so viel wie der SPD. Wohl eher historisch bemerkenswert sind die damaligen 42 Prozent der FDP selbst bei dieser sehr spezifischen Zielgruppe.
Zunächst geht es bei Künast vor allem um das große Ganze. Es brauche vor allem »eine Debatte, wo Berlin hin soll«. Das Problem der aktuellen Regierung sei, dass nichts entschieden werde. Dies müsste sich ändern, weil sich »Mieten und Wohnungspolitik nicht von anderen Dingen lösen lassen.« Eine Stadt für alle bedeute auch, dass alle das Gefühl haben, sich entwickeln zu können. »Wir wollen, dass in allen Teilen der Stadt unterschiedliche Gehaltsgruppen leben können. Niemand soll an den Rand gedrückt werden«, sagt sie.
»Unsere Aufgabe ist es, abfedernd, dämpfend und ein wenig lenkend einzugreifen«, sagt Künast einleitend zu den wenigen konkreten Lösungsansätzen, die sie nennt. Dazu gehört der Kauf von aus der Sozialbindung fallenden Immobilien, die Eindämmung der Zweckentfremdung von Wohnhäusern zu Ferienwohnungen oder Hostels als auch der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. »Landeseigene Wohnungen müssen der Kern einer sozialen Wohnraumversorgung sein«, so Künast. »Niemand glaubt, dass wir Krawalle wie in London erleben werden. Wenn sie Investitions- und Eigentumssicherheit wollen, brauchen die Leute eine Perspektive, auch bei den Mieten«, appelliert sie an die Vertreter der Immobilienwirtschaft. Schließlich beklagt sie noch die »fehlende Weitsicht« bei der Verkaufspolitik des landeseigenen Liegenschaftsfonds und das bis jetzt nicht zu Stande gekommene Gesetz zur energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien, »obwohl sich IHK, BUND und Mieterverein auf ein Stufenmodell geeinigt haben. Wenn man sowas nicht umsetzt als Senat, verstehe ich das nicht«.
Bereits diese wenig revolutionär anmutenden Pläne bezeichnet Michael Schick vom Immobilienverband Deutschland (IVD) als »Griff ins ordnungspolitische Gruselkabinett«. Er sieht es als »sozialpolitische Aufgabe, Eigentumsbildung für breite Schichten zu eröffnen«. Prinzipiell stellt sich Künast nicht dagegen, jedoch könne man nicht in wenigen Jahren aus ganz Berlin Baden-Württemberg machen. »Wo wären die Leute in Neukölln denn, wenn ich sage, dass ich die Eigentumsquote verdoppele«, fragt sie. »In der Hauptstadt der Arbeitslosen und Aufstocker können sie das nicht machen.«
»Investieren Sie hier. Aber bitte nicht wie in Klondike«, sagt Künast. Eine gewisse emotionale Betroffenheit scheint bei der Wahlkämpferin durchaus da zu sein. Wie ein schlüssiges wohnungspolitisches Konzept wirkt die Aneinanderreihung von Absichtserklärungen indes nicht.
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