Feuer greifen auf Wahlkampf über

Wieder Autos angezündet / CDU und FDP schlachten Brandanschlagsserie für Kampagnen aus

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
Brandanschläge gehen weiter: ausgebrannter Renault in Neukölln (oben). Die Oppositionsparteien machen mit den Bränden Wahlkampf. Fotos: dpa
Brandanschläge gehen weiter: ausgebrannter Renault in Neukölln (oben). Die Oppositionsparteien machen mit den Bränden Wahlkampf. Fotos: dpa

Auch in der Nacht zum Freitag ging die Serie von Brandanschlägen auf Autos in Berlin weiter. In der vierten Nacht in Folge setzten Unbekannte in mehreren Stadtteilen Fahrzeuge in Brand. Insgesamt wurden elf Autos angezündet. Zudem wurden nach Angaben der Polizei sieben Fahrzeuge durch Feuer in Mitleidenschaft gezogen. Seit der Nacht zum Dienstag sind damit durch Brandstiftungen und übergreifende Flammen 67 Fahrzeuge beschädigt worden. Auf einem Schrottplatz in Schmöckwitz im Osten der Stadt wurden sechs Autos angezündet, weitere sechs wurden beschädigt. Die Polizei sicherte dort Einbruchsspuren.

Die Feuer haben nun auch auf den Wahlkampf übergriffen. CDU und FPD scheuen sich nicht davor, die Brände für ihren Stimmenfang auszuschlachten. Auf ihrem neuesten Wahlkampfplakat nimmt die CDU den SPD-Slogan »Berlin verstehen« aufs Korn. Als Frage formuliert, ob Berlin brennende Autos verstehen muss, wärmt die CDU ihren alten Vorwurf auf, RotRot habe derartige Anschläge durch seine linkslastige und fehlgesteuerte (Spar-) Politik quasi mitzuverantworten. Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Hermann Gröhe, warf dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Zusammenhang mit der Anschlagsserie fehlende Tatkraft vor. »Das Thema Sicherheit hat bei Wowereit offenkundig keinen Stellenwert«, sagte Gröhe am Freitag dem »Spiegel«. Unter anderem kritisierte er den vom rot-roten Senat beschlossenen Stellenabbau bei der Berliner Polizei. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will die Brandanschläge demnächst sogar bei der Innenministerkonferenz ansprechen.

Wie die CDU warten die Liberalen ebenfalls mit einem neuen Wahlplakat auf. Über einem Motiv von Krawallen am 1. Mai fragt die Partei, was nach brennenden Autos kommen möge. »Die offensichtlich linksextremistisch motivierten Straftaten lassen einen deutlichen Anstieg der Gewaltbereitschaft gegenüber jeder Form des privaten Eigentums erkennen«, wettert Christoph Meyer, Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Björn Jotzo, hat sich tiefer gehend mit der linksradikalen Szene beschäftigt und will Selbstkontrolle: »Auch wenn die Brandanschläge in der linken Szene umstritten sind, gibt es dort keine sichtbaren Bemühungen, endlich präventiv tätig zu werden.«

Die Töne von CDU und FDP treffen auf nur allzu empfängliche Ohren. Die Zeitungen folgen dem Schnellschuss gegen »Links« und der Ignoranz von polizeilichen Einschätzungen, werfen alles in einen Topf. Dass die Polizei generell nur bei der Hälfte der Brandanschläge auf Autos von einem politischen Hintergrund ausgeht, interessiert wenig. So springt der »Tagesspiegel« in einem Kommentar von brennenden Autos über geprügelte Nazis hin zu einem Bezirksbürgermeister, der sich gegen Rechtspopulisten wehrt. Die »Süddeutsche Zeitung« ihrerseits schlägt den Bogen von brennenden Autos hin zum Protest gegen Gentrifzierung und überteuerte Privatwohnungen und sieht somit die »fast beispiellose Freiheitlichkeit Berlins« durch »linksterroristische Spießer« und »linke Blockwarte« gefährdet.

Fast wohltuend angesichts dieses Unsinns sind dagegen die Ausführungen der Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast. Sie bezeichnete die Reaktion der CDU auf die Serie von Brandanschlägen auf Autos in der Hauptstadt als »unanständig«. »Ich warne davor, dass irgendjemand anfängt, das populistisch zu missbrauchen«, sagte sie am Freitag in Berlin – dafür allerdings scheint es bereits zu spät.

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