Acud-Theater

Meerestosen im Innenhof

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Ob aus Wissen um den 400. Geburtstag des Stücks oder »nur« in ahnungsvoller Vorausschau unseres lausigen Sommers: Auf die Inszenierung von Shakespeares Finalwerk »Der Sturm« durch das clubtheater-berlin im Stadtbad Steglitz folgt eine zweite, ganz anders geartete Einrichtung für den Innenhof des ACUD-Theaters. Freilicht also, behaftet mit allen Unwägbarkeiten des Wetters und es gleichsam zum natürlichen »Komplizen« des Bühnenbilds machend.

Jener Innenhof, mit Umgängen auf seinen fünf Etagen und ihrem verbindenden Treppengewirr ist ein Glücksfall wohl nicht bloß für diese Aufführung, und erinnert, obzwar eher oval, ans Rund des Globe-Theaters und atmet so den Geist der Shakespeare-Ära. Jens-Uwe Behrend hat die Gunst geschickt erkannt, diverse Spielplätze von oben bis unten eingerichtet, die Säulen aller Umgänge mit Strohmatten umwunden, echten Essigbaum durch falsche Palme ergänzt, Auftritte aus Türen, Fenstern, Öffnungen vorgesehen, Plateaus genutzt und ein ganzheitliches Bühnenbild erreicht.

Wenn am Anfang in Felix Goldmanns Regie Seeleute, nur vom Abendhimmel überdeckt, zu Meerestosen singend aus dem Dachgeschoss treten, dann wähnt man sich tatsächlich an Bord eines gewaltigen Schiffes, auch wenn der Ausleger eines zufälligen Baukrans in die Gegenwart ruft. Tief unten im Hof kniet auf dem Fetzen, der seine Insel ausmacht, Prospero vorm geliebten Buch und betet, dass sein Zauberplan aufgeht.

Der intrigant von seinem Mailänder Hof vertriebene Herzog ist hier indes eine Frau. Und auch sonst macht sich der Regisseur den Originaltext dienstbar, nicht nur durch Streichung vieler Szenen. Caliban mutiert ebenfalls ins Weibliche, Handlungen werden anderen Rollen zugeordnet. Neun Akteure stehen dafür zur Verfügung.

Ersten Streit hat Prospera, so der Name, mit Caliban als aufrührerischer Hexentochter, die Dienerdienste verweigert und auf ihre Herkunft pocht. Während die Seeleute singend nach unten klettern, tänzelt ein Papierschiff herab, das Prospera zerreißt: symbolisches Schicksal, das sie der edlen Mannschaft bestimmt. An Bord sind der betrügerische König Alonso und sein Sohn Ferdinand, Prosperas usurpatorischer Bruder Antonio sowie Sebastian, Alonsos Bruder.

Mit Hilfe des gefangenen Luftgeists Ariel strandet das Schiff wie vorgesehen, zerstreut sich die Crew, glaubt sich gegenseitig tot. »Wasser« rollt sich da als Folie aus, darin die Schiffbrüchigen auf weißen Kästen von Sandbank zu Sandbank taumeln. Erschöpft sinken vier in Schlaf, wundern sich erwachend über die unversehrte Kleidung, schmieden Mordpläne: Antonio, selbst unrecht an die Macht gelangt, hetzt Sebastian zum Brudermord. Gegenseitig werfen sie sich Alonsos Krone zu. Ariel verhindert den Totschlag.

All das inszeniert Goldmann jedoch eher als Farce und nimmt dem Frevel jede Schärfe. Mit »It’s raining men« zieht das Quartett ab. Auch Ferdinand singt und steppt, Prospera und Tochter Miranda beobachten ihn sächselnd, ehe Miranda bezaubert den Fremden anspringt. Das geht schnell! Ins Verließ sperrt ihn die Mutter und verordnet ihm Prüfaufgaben: Mit dem unsichtbar aufsitzenden Ariel wird ihm die Arbeit schwer.

Manche Albernheit schluckt die laue Sommernacht, Rike Eckermann als Prospera hält sie zusammen, Heribert Gietz' Alonso gibt ihr berührende Momente.

Bis 27.8., Acud, Veteranenstr. 21

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