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Zeitiger Abflug
Martin Biesel ist nicht mehr Staatssekretär für die FDP, sondern Lobbyist für Air Berlin
Vielleicht setzt er nach all den Jahren nun doch nicht mehr auf das sinkende Schiff der Freien Demokraten. Martin Biesel wendet sich ab von der Politik. Der ehemalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt und enge Vertraute von Guido Westerwelle wird Cheflobbyist bei Air Berlin. Das zweitgrößte Flugunternehmen Deutschlands ist zwar auch auf dem absteigenden Ast, Biesel gilt aber im Berliner Politikbetrieb als bestens vernetzt. Gemeinsam mit dem neuen Übergangsvorsitzenden von Air Berlin, Hartmut Mehdorn, will er den Karren aus dem Dreck ziehen.
Das hat Biesel für seinen ehemaligen Chef Westerwelle auch schon das ein oder andere Mal getan. Der 48-Jährige arbeitet seit 1991 für die FDP. Sein Gebiet ist die strategische und politische Planung. Zunächst im Grundsatzreferat der Partei, steigt er rasch auf und wird Leiter des Büros des Generalsekretärs, zunächst für Werner Hofer, dann für Westerwelle.
1999 wechselt der Politikwissenschaftler bereits das erste Mal in die Wirtschaft, zum Luftfahrtkonzern EADS, kehrt aber zwei Jahre später wieder zurück – als Büroleiter Westerwelles. Er entwirft die Grundlinien für dessen Buch »Neuland«, in dem das Ende der Ära Kohl gefordert wird, er erarbeitet das »Projekt 18« und scheitert gemeinsam mit seinem Chef. Als dieser dann doch an die Macht kommt, ist Biesel wieder dabei. Maßgeblich am Koalitionsvertrag beteiligt, wird er Staatssekretär im Auswärtigen Amt, wo er unter anderem dafür zuständig ist, in der Koalition die Arbeit der FDP-Minister zu koordinieren. Im Mai diesen Jahres sinkt Westerwelles Stern und Biesel kündigt seinen Wechsel in die Wirtschaft an. Ab dem 1. November hat er eine neue Aufgabe: Direktor für internationale Verkehrsrechte und Vorstandsbevollmächtigter für Politik bei Air Berlin, kurz: Chef-Lobbyist.
Biesel gilt in Berlin als einer, der unprätentiös im Hintergrund die Strippen zieht. Guido Westerwelle hat ihn auf seiner Internetseite mal vorgestellt als denjenigen, dessen »Telefon und Diktiergerät selten kalt wird«. Nach den letzten Zahlen wird sich bei Air Berlin einiges ändern. Im Schatten von Mehdorn wird sein guter Draht zu den politischen Schaltstellen in Berlin der Fluggesellschaft sicher höchst willkommen und vor allem nützlich sein.
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