Künast träumt weiter vom Wahlsieg

  • Juliane Wienß, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

»Renate kämpft« steht auf großen Wahlplakaten der Grünen. Am 18. September wählen die Berliner das Abgeordnetenhaus. Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast würde dann gern Regierende Bürgermeisterin werden. Am besten gleich zweimal hintereinander, wie sie der »Bild am Sonntag« (BamS) sagt: »Mein Ziel sind zehn Jahre Regierende Bürgermeisterin – dann wäre ich 65. Ein schöner Zeitraum.«

Noch vor einigen Monaten hätten diese Worte niemanden in der Hauptstadt verwundert. Denn damals sahen die Umfragen für die Grünen in Berlin richtig gut aus – mit Werten bis zu 30 Prozent. Zeitweise hatten die Grünen die SPD in den Umfragen sogar überflügelt. Doch zwei Wochen vor der Wahl scheint sich das Blatt endgültig gewendet zu haben und ein anderer Sieger festzustehen.

Die Meinungsforschungsinstitute Forsa und TNS Emnid sehen nun die SPD in ihren aktuellen Umfragen klar vorn, wie »Berliner Zeitung« und »Focus« am Wochenende berichteten. Seit es mit der heißen Wahlkampfphase losging, haben die Grünen kräftig verloren. In den Umfragen liegen sie nur noch bei 19 oder 20 Prozent und damit auch schon hinter der CDU, die die Meinungsforscher bei 21 bis 23 Prozent sehen.

Es sieht also danach aus, dass Wowereit noch eine Weile im Berliner Rathaus bleiben und sich einen Koalitionspartner aussuchen kann. Doch Künast wäre nicht Künast, wenn sie so einfach die Segel streichen würde. »Ich habe gelernt, dass ein Rennen an der Ziellinie endet«, sagt die frühere Bundesverbraucherschutzministerin der »BamS«.

Nach einem Jahr Wahlkampf will sie eine Nervosität bei der SPD bemerkt haben. »Deren Wahlkampf richtet sich ausschließlich und frei von Themen gegen die Grünen und Renate Künast. Das wäre ganz anders, wenn die Sache schon entschieden wäre.« Doch das Jahr scheint auch an Künast gezerrt zu haben. Zumindest gab sie sich im Interview dünnhäutig, weil die Konkurrenz am Wegesrand noch das ein oder andere Thema für den Wahlkampf pflückt: »Empört« habe sie der Versuch von CDU und FDP, die nächtlichen Auto-Brandstiftungen »zu missbrauchen«. Und dass Wowereit sagt, er könne Demonstrationen gegen den Papst verstehen, finde sie »nicht okay«.

Sie will sagen: Die Grünen surfen eben nicht auf Panikwellen, nur weil Wahlkampf ist. Aber vielleicht war die richtige Welle für die Grünen auch einfach nicht dabei. Der Innenstadt-Ausbau der Autobahn A 100 ist jedenfalls nicht zum Stuttgart 21 von Berlin geworden.

In dem Interview versucht die Spitzenkandidatin, einen letzten Joker aus dem Ärmel zu ziehen: Verlässlichkeit. Den Wählern verspricht Künast, Regierende Bürgermeisterin für die ganze Wahlperiode zu bleiben – anders als ihrer Ansicht nach der sozialdemokratische Konkurrent.

Gleichzeitig schließt die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag für sich aus, auch im Fall einer Wahlniederlage in die Landespolitik einzusteigen. »Ich werde nicht Stellvertreterin von Wowereit und er nicht von mir.« Um doch noch Regierungschefin in Berlin zu werden, bliebe Renate Künast nur die grün-schwarze Option – vorausgesetzt, die Öko-Partei zieht am Wahltag an den Konservativen vorbei. »Wir Grünen werden selbstbewusst mit SPD und CDU sondieren, wo die meisten grünen Inhalte umgesetzt werden können.« Ihre Berliner Parteibasis hört das allerdings nicht gern, ein Zusammengehen mit den Konservativen hat hier kaum Freunde.

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