Trendwende hielt nicht lange an

66. Spanien-Rundfahrt: Der Spanier Juan José Cobo neuer Spitzenreiter

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Die 66. Spanien-Rundfahrt 2011 raubt den einen den Atem, weil sie so anstrengend ist, und den anderen, weil sie voller Spannung steckt. Rasante Etappenfinals, häufige Führungswechsel und eine internationale Besetzung machen aus der einstigen Kilometerfresserei über staubige Pisten eine attraktive Veranstaltung.

Der Brite Bradley Wiggins schlägt vor Erschöpfung die Gesichtsmuskeln zurück und entblößt sein Gebiss. Der Italiener Vincenzo Nibali reißt sich das Trikot auf, um mehr Sauerstoff in die Poren zu bringen. Vergeblich. Der Titelverteidiger litt auf der 14. Etappe am Samstag an einem Hungerast. »Ich hatte keine Energie mehr«, sagte der Italiener resigniert. Er verlor auf der ersten von zwei vorentscheidenden Etappen in den schroffen Bergen Asturiens 1:21 min auf seinen Hauptrivalen Wiggins. Aber auch der Brite machte einen eher gequälten Eindruck, als er sich von seinem Teamkollegen Christopher Froome heraufziehen und zu einem Big Point im Kampf um die Vuelta-Krone führen ließ.

Erschöpfung ist das Hauptthema dieser Tage. Es gab lange keine so anstrengende Vuelta, meinen Veteranen der Rundfahrt. Ausgepowert hatte Sprintstar Mark Cavendish in der Mitte zwischen zwei Zweitausender-Gipfeln bereits am vierten Renntag aufgegeben. »Mit den Kräften am Ende« war auch Marcel Kittel (Skil Shimano), der neue Sprint-Torpedo aus Thüringen, der wenige Tage nach seinem Etappensieg das Rennen verließ. Und selbst Andreas Klöden (Radio-shack), eigentlich ein Durchhalter, der auf der k.O.-Etappe von Cavendish mehr als 18 Minuten aufgebrummt bekam, trollte sich schon nach Hause.

Wer dabei blieb, setzte seine Körner für eine exzellente Show ein. Der Spanier Joaquin Rodriguez, von der Katusha-Mannschaftsleitung nach dem Desaster des russischen Rennstalls bei der Tour de France nachhaltig zu Wiedergutmachungsleistungen aufgefordert, rang auf zwei Mittelgebirgsankünften die Konkurrenz nieder. Einen lang Tag wurde der Spurtstärkste unter den Kletterern mit dem Führungstrikot belohnt und verschwand erschöpft in den zweistelligen Bereich des Klassements.

Nibali gelang mit seiner Liquigas-Truppe auf der sechsten Etappe bei der Abfahrt nach Cordoba das Bravourstück, mit drei Mannschaftskollegen unter den ersten Fünf zu sein. Als er drei Tage danach zum Angriff auf das Rote Trikot blies und auf dem Anstieg zur Covatilla Fersengeld gab, konnte ihn Bradley Wiggins erst zwei Kilometer vor dem Ziel stellen.

Dem Sky-Kapitän gelang damit die Trendwende. Hatte er in der ersten, von tropischer Hitze geprägten Woche meist nur den Rücken von Nibali gesehen, so machte er fortan Zeit auf ihn gut. Zwar wurde der Zeitfahrspezialist in seiner Paradedisziplin vom Thüringer Tony Martin (HTC) und von seinem überraschend starken Stallgenossen Froome in die Schranken verwiesen, aber das Rote Trikot des Spitzenreiters trug er seitdem dennoch – bis nach der gestrigen »Königsetappe«, die der Spanier Juan José Cobo nach 142 km von Avilés nach Angliru mit 48 s Vorsprung gewann, sodass er das Rote Trikot übernahm, gefolgt von Froome (20 s zurück) und Wiggins (46 s zur.).

Vuelta-Direktor Javier Guillen jedenfalls strahlt: »Wir haben hier das beste und spannendste Rennen des Jahres. Es ist noch aufregender als die Tour de France.« Und weil die Vuelta in der letzten Woche die 33-jährige Baskenland-Abstinenz beenden wird, dürfte einer weiteren Aufwertung der kleinsten unter den großen Rundfahrten nichts mehr entgegenstehen. Resultate Seite 19

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