Kung-Fu und Lockenwickler

Spiel-, Kurz-, Video- und Dokumentarfilme beim Festival »Asian Hot Shots« im Kino Moviemento

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn seine Mutter wieder einmal Freier empfängt, kraucht Gandu auf allen vieren in ihr Schlafzimmer und bedient sich selbst aus der Brieftasche des Klienten. Gandu, ein zorniger junger Mann, spielt Lotto, hängt mit seinem Rikschafahrer-Freund ab und schreit seinen Frust in wilden, mit Kraftausdrücken gepfefferten, Punksongs und Raps heraus.

Der junge indische Regisseur Kaushik Mukherjee zeichnet in seinem zweiten Spielfilm »Gandu« (Wichser) in stylishen Schwarzweiß-Bildern das Bild einer hoffnungslosen jungen Großstadtgeneration. Sein Protagonist bewegt sich in einer Welt aus Drogenrausch, Porno und Gewalt. Dennoch ist der Film alles andere als deprimierend: Dazu tragen vor allem der mitreißende Soundtrack und schnelle Schnitte bei sowie verfremdende Stilmittel wie ein zuweilen mehrfach geteiltes Bild und die in großen bunten Lettern eingeblendeten Texte zu Gandus Songs.

»Gandu« (Indien 2010), der sämtliche Regeln der indischen Filmzensur missachtet, ist einer von 40 Spiel-, Kurz-, Video- und Dokumentarfilmen des dreitägigen Filmfestivals »Asian Hot Shots« im Kino Moviemento. Dessen vierte Ausgabe steht wie seine Vorgänger für junges, unabhängiges asiatisches Kino jenseits des Mainstreams und versteht sich als Festival, das die Kommunikation mit den eingeladenen Filmemachern fördert.

Das schließt die Vorführung von Teilnehmern von Großfestivals nicht aus, wie Woo Ming Jins »The Tiger Factory« (Malaysia/Japan 2010), der 2010 in Cannes lief. Sein Film ist ein bedrückendes Sozialdrama über die junge Frau Ping, die sich von dem Verkauf ihres Babys ein neues Leben in Japan aufbauen will. Ihre Tante fungiert dabei als geschäftstüchtige und zynische Zuhälterin. Der Film schildert eine Gesellschaft, in der Menschen zur Ware werden und Korruption, Gewalt und Denunziation allgegenwärtig sind. Ping quält sich neben ihrem Job in der »Kinderfabrik« zusätzlich als Aushilfe auf einer Schweinefarm: Viel besser als die Tiere dort lebt sie nicht. Der sehenswerte Film macht es dem Zuschauer insofern schwer, als er seiner Heldin erst am Ende eine Hintertür für ein Fünkchen Hoffnung freihält.

Ein leuchtendes Beispiel für schwullesbisches und Transgender-Kino, von jeher ein wichtiger Fokus des Festivals, stellt die sehr vergnügliche Komödie »Madame X« (Indonesien 2010) dar. Darin wird eigentlich das ernste Thema der Homophobie verhandelt, doch Regisseur Lucky Kuswandi erzählt die Story der transsexuellen Friseuse Adam auf ausgesprochen trashig-komische Weise. Nachdem Adam und ihre Freund(inn)e(n) Opfer eines brutalen Überfalls von selbst ernannten Moralwächtern geworden sind, wird Adam zur Martial-Arts-Superheldin ausgebildet. Tanz, Kung-Fu-Hiebe und ein umwerfender Look sind ihre Mittel im Kampf gegen Transen- und Tuntenhass. Wenn Adam schließlich mit weißer Wallehaarperrücke und im silbernen Glitzeranzug als heiße Motorradbraut erscheint, schlägt sie ihre Gegner mit Haarspray und Lockenwicklern in die Flucht.

Zwischen Fiktion und Realität pendelt Zhu Wens »Thomas Mao« (China 2010): In einem Gasthaus mitten in der mongolischen Wüste trifft der westliche Weltenbummler Thomas auf den mongolischen Gastgeber und Farmer Mao: Unterschiedliche Weltanschauungen von Gastfreundschaft, Ehre und Leben im Allgemeinen kennzeichnet das Verhältnis der beiden. Schließlich treten hinter den Gelegenheitsschauspielern die wahren Menschen hervor, die in Wirklichkeit beide in der Kunstszene arbeiten. Unterbrochen wird der lakonisch erzählte Film durch den magischen Schwertkampf eines chinesischen Paars in historischen Kostümen. Zwar bleibt der Bezug zum restlichen Plot unklar, doch schön anzuschauen ist er allemal.

Vom 9.-11.11. im Moviemento, Kottbusser Damm 22, Infos unter Tel: (030) 692 47 85; www.asianhotshotsfestival.com

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