Ein Land sieht schwarz

In Neuseeland, wo heute die Weltmeisterschaft beginnt, ist Rugby Nationalsport – in Deutschland weiter nur Exot

  • Christian Heinig
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht einschüchtern lassen, das wird die Devise sein für die Spieler von Tonga. Sie haben heute die Ehre, beim Eröffnungsspiel als Statisten mitwirken zu dürfen. Die Hauptrollen sind ihren Gegnern vorbehalten. 15 Männern in schwarzen Hemden, genannt All-Blacks, dem Rugby-Nationalteam Neuseelands. Dort wird in den kommenden sechs Wochen der neue Weltmeister ermittelt. Und dort werden die All Blacks jedem Gegner schon vor dem Anpfiff das Fürchten lehren. Mit dem Haka, dem Ritualtanz der Mori, der, obwohl er keiner ist, an einen martialischen Kriegstanz erinnert. Läuft alles nach Plan für die All Blacks, werden sie den Haka siebenmal aufführen. Dann wäre das Endspiel erreicht. Davon träumt ganz Neuseeland. Rugby ist Nationalsport. Ist vom Spiel mit dem eiförmigen Ball die Rede, fallen schnell bedeutungsschwere Wörter wie nationale Identität oder Ersatzreligion.

Bei der Premieren-WM vor 24 Jahren, da waren die Kiwis" gemeinsam mit Australien schon einmal Gastgeber der Titelkämpfe. Und gewannen prompt. In der Folge versagten den All Blacks, obwohl stets Weltranglistenerster, bei den WM-Turnieren jedoch stets die Nerven. Diesmal geben sie sich zumindest nach außen gelassen. Jedes Mal, wenn du das All-Black-Trikot anziehst, gibt es immer Druck und große Erwartungen", ließ Kick-König Daniel Carter, 29, wissen, mit Kapitän Richie McCaw, 30, der Anführer der Mannschaft. 22 der letzten 25 Spiele hat das Team gewonnen, nur die Generalprobe misslang. Beim Finale des berühmten Tri-Nations-Turniers verlor man Ende August 20:25 gegen Erzfeind Australien. Ein Ausrutscher, hofft das Land.

Beim heutigen Eröffnungsspiel der All Blacks gegen das Pazifikkönigreich Tonga, das wie das Finale im Eden Park von Auckland ausgetragen wird, sitzt auch Ingo Goessgen auf der Tribüne. Er ist Präsident beim Rugby-Bundesligisten RK 03 Berlin, der seine Heimspiele im Stadion Buschallee" in Weißensee austrägt. Heißer Favorit ist für mich Neuseeland", betont Goessgen. Er ist einer von 100 000 ausländischen WM-Touristen, die zum drittgrößten Sportereignis der Welt (nach Fußball-WM und Olympia) pilgern. Einem Sportereignis, bei dem Deutschland auch sonst nur eine Zuschauerrolle spielt. Diesmal, beim siebten Versuch, kam die deutsche Rugby-Auswahl nicht über die fünfte Qualifikationsrunde hinaus. In Rugby-Nationen wie England, Australien, Südafrika, Frankreich und Neuseeland sind die Spieler der nationalen Ligen absolute Vollprofis", erklärt Goessgen, 49. In Deutschland sind es meist Amateure, das spiegelt sich auch im Nationalteam wider."

Um den deutschen Rugby nach vorn zu bringen, fehle es an Fördergeldern und Strukturen. Christian Lill, bei RK 03 Teamkapitän und überdies U18-Nationaltrainer, fordert mehr Rugby an Schulen. Leider", so beklagt der 28-jährige Hobbyspieler, glauben viele Eltern hierzulande, Rugby sei ein rauer Sport, bei dem es nur auf die Nuss gibt. Das stimmt nicht."

Zehn Teams spielen in der Bundesliga. Die Rugby-Gemeinde bleibt meist unter sich. Zum Berliner Derby letztes Wochenende zwischen dem Berliner Rugby-Club und RK 03, einer unterhaltsamen Partie, die 51:36 endete, verloren sich 250 Zuschauer im Hertha-Amateur-Stadion. Beim 22:19 im Spitzenduell des Heidelberger RK gegen Frankfurt 1880 waren es mit 300 nur unwesentlich mehr.


Rugby-WM

  • Die 7. Rugby-WM findet vom 9. September bis 23. Oktober statt. Die 6. WM (2007/Frankreich) verfolgten vier Milliarden Menschen in 200 Ländern.
  • 20 Teilnehmerländer spielen in 48 Partien den Titel aus.
  • Die Kosten schätzt Gastgeber Neuseeland auf 180 Millionen, 160 Millionen Euro Einnahmen werden erwartet.
  • Sport1 überträgt zehn Spiele live im Free-TV.
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