Piraten vor Entern des Parlaments

Junge Partei im Bewerberfeld nach neuester Umfrage bei 6,5 Prozent

  • Lesedauer: 2 Min.

(dpa). Mit Dreispitz, Enterhaken und einer Flasche Rum ist Andreas Baum nicht anzutreffen. Der 32 Jahre alte Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Berlin-Wahl verzichtet gern auf Tamtam und bunte Inszenierungen. »Eigentlich haben wir das gar nicht nötig, um Aufmerksamkeit zu bekommen«, sagte der 32-Jährige. Die Piraten, die für Freiheit im Netz, Transparenz und Bürgerbeteiligung eintreten, haben allen Grund, fünf Jahre nach ihrer Gründung selbstbewusst aufzutreten.

Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September könnten die Neulinge im Politikbetrieb Furore machen und bundesweit zum ersten Mal in ein Parlament einziehen. Nach der aktuellen Umfrage von Infratest dimap für die ARD erreichen die Piraten 6,5 Prozent der Stimmen – ein Riesen-Sprung, und das rechtzeitig zum fünften Geburtstag der Partei an diesem Samstag.

Mit dem ironisch gemeinten Slogan »Keine Experimente« gehen die Piraten, die den Nerv jüngerer Internet-Nutzer treffen, auf Stimmenfang im Wahlkampf. Der Kandidat für das Abgeordnetenhaus, Christopher Lauer (27), dreht sich neben einem Plakatstand am Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg eine Zigarette, daneben weht eine orangefarbene Fahne. Mitten in der Grünen-Hochburg machen der Student und sein Mitstreiter Baum Straßenwahlkampf auf die einfache Art – nur mit Flyern und einer schmalen Partei-Zeitung. Das Wahlkampf-Budget fällt mit einigen zehntausend Euro auch recht knapp aus.

Inhaltlich geben sich die Piraten ebenfalls bescheiden. »Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten« – das gehöre zu den Leitgedanken bei der politischen Themenentwicklung, sagt der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz. Der Berliner Spitzenkandidat Baum musste in einer Talkrunde etwa auch eingestehen, dass er den Schuldenberg der Hauptstadt nicht kennt. Kritiker werfen den Politik-Neulingen vor, dass Forderungen – wie die Einführung eines »fahrscheinlosen« öffentlichen Nahverkehrs – nicht durchgerechnet und kaum finanzierbar seien.

Die Piraten Lauer und Baum bekommen im Prenzlauer Berg offen Zuspruch: »Ihr kriegt das Kreuz«, sagt ein Passant, ein zweiter schimpft auf die alteingegessenen Parteien: »Es wird Zeit, dass die was auf den Ballon bekommen.«

Aus Sicht des Parteienforschers Oskar Niedermayer bilden die Piraten eine Art Protestventil. Von Politikern eigentlich enttäuschte Bürger könnten sich für die Partei begeistern, die für eine »gläserne Volksvertretung« eintritt. Den erhofften Triumph am Wahlsonntag wollen die Piraten im Ritter Butzke – ein Szeneclub in Kreuzberg – feiern. »Wir werden geflasht in der Ecke liegen«, sagt Student Lauer, der selber ein wenig überrascht vom großen Umfrageerfolg scheint.

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