Wer hat das richtige DDR-Bild?

In der Enquetekommission zu den Nachwendejahren wird wieder mal um ein Gutachten gestritten

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Erneut sorgt ein Gutachten in der Enquetekommission zur Aufarbeitung der Nachwendejahre für Krach und Ärger. Diesmal lautete das Thema »DDR-Bild in politischen Parteien und Verbänden Brandenburgs«. Dass eine solche offene Zensur von Denken und Gesinnung zu Konflikten führen muss, war absehbar. Der Gutachter Steffen Alisch führt einen Rundumschlag. Er wittert überall DDR-Nostalgie.

Das Zerwürfnis erreichte diesmal zunächst eine interne Arbeitsgruppe der Enquetekommission. Was der Gutachter Steffen Alisch zu Papier gebracht hat, war für einen der beiden Auftraggeber, den Landtagsabgeordneten Thomas Günther (SPD), so sehr außerhalb seines Toleranzbereiches, dass er umgehend die übrigen Kommissionsmitglieder aufgefordert hat, das Gutachten nicht anzunehmen und mit dem Werk vor die Presse getreten ist. Günther verwies drauf, dass selbst die Mitarbeiter des Landtags, also eher neutrale technische Hilfskräfte, nicht anders konnten, als ihre Ablehnung des Gutachtens deutlich zu machen.

Dagegen fand Alisch einen Verteidiger in dem anderen Mitglied der Arbeitsgruppe, in Professor Klaus Schroeder. Der forderte den Abgeordneten Günther umgehend auf, die Kommission zu verlassen, weil der sich mit seinem Gebaren nicht an die Regeln der Kommission gehalten habe.

Zwar wird der Versuch des Rauswurfes nicht unterstützt, doch in der Sache findet Schroeder Unterstützung beim Grünen-Fraktionschef Axel Vogel: »Das Vorgehen des SPD-Abgeordneten Thomas Günther ist ein neuer trauriger Höhepunkt sozialdemokratischer Versuche, die Arbeit der Enquetekommission des Landtages in Misskredit zu bringen.« Mittels einer Rufmordkampagne sei die SPD bemüht, einen unbequemen Wissenschaftler los zu werden. Christian Görke, Parlamentarischer Geschäftsführer der LINKEN, unterstrich, dass »an der Qualität des Gutachtens zu zweifeln ist«. Bezogen auf eine Vorabveröffentlichung von Material sagte er: »Das sollte nicht der Stil sein, den wir hier pflegen.«

FDP-Fraktionschef Andreas Büttner erklärte, er wolle das Gespräch mit Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) suchen, um den Vorfall zu besprechen und auszuloten, wie man Günthers Verhalten bewerten müsse.

FDP-Kommissionsmitglied Linda Teuteberg beschwerte sich, dass sie zu einem Gutachten Anfragen bekommen habe, das ihr selbst nicht, wohl aber einigen Journalisten vorgelegen habe. Damit seien »Regeln der Kommission verletzt« worden. Einer vertrauensvollen Zusammenarbeit diene der Vorgang nicht. Außerdem müsse man sich fragen, wie ein solcher Umgang auf Wissenschaftler wirke, wenn sie befürchten müssten, dass ihre Arbeit »vorab diskreditiert« werde.

Die Ausschussvorsitzende Susanne Melior (SPD) hat sich inzwischen vor den Abgeordneten Günther gestellt. Auch aus den Reihen der Oppositionsparteien waren in der Vergangenheit Gutachter mit Vorwürfen, zum Teil persönlicher Natur, konfrontiert, wenn etwa das Dargelegte nicht in den politischen Kram passte.

Eine Frage ist, ob Gutachter Alisch nun für sein Werk die üblichen 5000 Euro Honorar erwarten kann. In den Oppositionsparteien gibt es die Auffassung, dass diese Summe viel zu niedrig für eine so umfangreiche Arbeit sei. Die Gegner des Werkes wollen – wie in der Vergangenheit schon einmal praktiziert – das Honorar kürzen, auf jeden Fall aber eine umfassende Überarbeitung verlangen. Im Streitfall entscheidet auch in dieser Frage die Mehrheit in der Kommission, bestätigte Teuteberg.

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