Wohnhaus wird zum Hinterhof

Bewohnerinitiative am Alex protestiert gegen Neubau vor ihren Fenstern

  • Rudolf Hempel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Neubau soll dicht ans Wohnhaus heranrücken. ND-
Der Neubau soll dicht ans Wohnhaus heranrücken. ND-

Die öffentlichen Proteste gegen Mieterhöhungen nehmen zu, und auch Anwohner am Alex gehen auf die Straße. Sie protestieren allerdings nicht gegen Erhöhung, sondern gegen Minderung – nämlich ihrer Lebensqualität.

Konkret geht es den rund 100 Mietern und Wohnungsinhabern, der Initiative »Hinterhofverhinderer am Alex« darum, im Quartier Otto-Braun-Straße 29/31, Wadzeck- und Mollstraße den Neubau eines Komplexes vor ihrem Ende der 60er Jahre erbauten Zehngeschosser zu verhindern. »Mit diesem Bau unmittelbar vor den Fenstern«, so Initiativsprecher Herbert Fitze, »gehen uns Sonne und frische Luft verloren.« Darüber hinaus müssten rund 30 Bäume, meist Platanen, gefällt werden, außerdem würde eine Parkfläche für rund 70 Autos verschwinden. »Das würde eine gravierende Minderung unserer Lebensqualität bedeuten. Zumal fast die Hälfte der Bewohner inzwischen ihre Wohnungen gekauft hat, um hier in guter Lage einen unbeschwerten Lebensabend verbringen zu können«, sagt Fitze.

Die vielschichtige Vorgeschichte beginnt mit einem Wettbewerb um die Neugestaltung des Alexanderplatzes und seiner Umgebung in den neunziger Jahren. Von 1995 bis 1999 war der Bebauungsplan mehrfach zur Diskussion gestellt worden, es gab Untersuchungen zur Wahrung künftiger gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse, im April 2000 erhielt der Plan Rechtskraft. »Gegen den Bebauungsplan wurde nicht geklagt. Deshalb besteht für Investoren das Recht, die im Plan festgesetzten Baurechte auch in Anspruch zu nehmen«, antwortete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf die Beschwerde eines Mieters, der sich weitere anschlossen.

Inzwischen protestierten die Betroffenen nicht nur mit Fenstertransparenten wie »Hinterhof, nein Danke!« und »Sonne statt Büros«, sondern auch mit einer von der Polizei freundlich eskortierten Demo rund ums Karree. Es gab auch Kontakte zur Bezirksverordnetenversammlung Mitte, einige Verordnete machten sich inzwischen vor Ort ein Bild. Es mehren sich Anzeichen, dass Änderungen am Projekt auf dem landeseigenen Grundstück in Erwägung gezogen werden. Sie betreffen Bauhöhe, Innenhofgestaltung, Lärmschutz, Freiräume sowie Rad- und Fußwege.

Der Projektentwickler – offenbar ist es derselbe, der auch nebenan vor dem Sitz des Bildungssenats das bereits rohbaufertige Hotel- und Appartementhaus »Alex Parkside« bauen lässt – wolle »mit den Anwohnern zu einer möglichst einvernehmlichen Realisierung des Bauvorhabens gelangen« und habe versichert, zusammen mit dem Architekten ihnen das Projekt erläutern zu wollen, steht im Schreiben der Senatsverwaltung. Wie Herbert Fitze erklärt, sei ein für September anberaumter Termin allerdings inzwischen wieder hinfällig geworden, »aus welchen Gründen auch immer«.

Die große Mehrheit der Kiezbewohner jedoch will sich nicht einmauern lassen und den Neubau vor ihrer Nase komplett verhindern. Sie rechnen auch schon damit – falls der »Druck der Straße« nicht ausreicht – dass der »Kampfplatz« in den Gerichtssaal verlegt werden könnte.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal