Emanzipiertes Kunsthandwerk

Silberschmiedinnen der Bauhauszeit präsentiert das Bröhan-Museum

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.

Viel wusste man bisher nicht über sie, die Frauen, die während der 1920er und 1930er Jahre den schweren Beruf des Silberschmieds ergriffen hatten. Verwunderlich ist das nicht, gestattete doch erst ab 1919 die Gleichstellungspolitik der Weimarer Republik auch den Frauen, neben dem Recht auf Wahl und Erwerbstätigkeit, den Zugang zu Bildungseinrichtungen. Bespöttelt von männlichen Kollegen wurden sie dennoch allemal, doch die Reformbemühungen jener Jahre eröffneten auch und gerade den Frauen manche neue Möglichkeit. Eine Ausstellung im Bröhan-Museum zeigt, welch erstaunliche Leistungen jene Silberschmiedinnen erbrachten.

Rund 150 Exponate an Schmuck, Haushaltszubehör und Sakralgeräten vereint »FrauenSilber«, demonstriert den hohen Qualitätsstandard in Entwurf und Fertigung und zeichnet zugleich in Porträts den oft steinigen Weg jener Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Kunst nach.

Zwei der kreativsten unter ihnen stehen rechtens im Zentrum der zusammen mit dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe gestalteten Schau. Dass beide als Jüdinnen tragisches Opfer der Zeitenläufe wurden, spiegelt gleichsam ein Stück politischer Vergangenheit. Von klarer Eleganz geben sich die Entwürfe der Stuttgarterin Paula Straus: Rahmgarnituren, Serviceteile, eine Kaffeekanne mit Ebenholzknauf, eine nach oben ausschwingende Obstschale mit Ringgriffen, eine Teekanne, die auf Palmblättern zu schweben scheint. Schmuckstück neben bestechend funktionalen Entwürfen ist ein kristallenes Deckelgefäß, dessen mit floralen Elementen vergoldete, edelsteinbesetzte Silbermontierung Straus ausführte und das auf der Weltausstellung Barcelona 1929 Gold gewann. Eine so extravagante wie schlichte Schmuckgarnitur aus Gold und Bergkristall weist die Künstlerin als fantasievolle Gestalterin von Bijouterie aus. Chanukkaleuchter repräsentieren mehrere Entwurfsblätter. Ein Stolperstein erinnert heute an Deutschlands bedeutendste Industriedesignerin für Silberwaren: In Auschwitz wurde sie 1943 ermordet.

Den Freitod wählte 1942, bereits in der Tel Aviver Emigration, ihre etwas ältere Kollegin Emmy Roth, für ihr Oeuvre – etwa eine Tee-Extraktkanne – vielfach ausgezeichnet, einige Zeit auch in Berlin ansässig. Beeindruckend zweckmäßig sind Roths Exponate. Hat ein Zuckerstreuer von 1927 noch Serpentinform, überzeugen jene glatt zylindrische Extraktkanne mit Elfenbeingriff, ein raffiniert verschlungener zweiflammiger Leuchter ebenso wie stapelbare Aschenbecher und eine Bürstengarnitur mit Untersatz, beides aus Messing. Verspielter fallen die Objekte von Helene Lock-Brandt aus: Eine beckenförmige Blumenschale mit Bordüre aus Früchten stellt sie ebenso auf geschwungene Füße wie die Teile eines edlen Tee- und Kaffeeservices mit einer Gefäßform aus 12 Facetten. In hockenden Knaben unter Blütengirlande laufen ihre Löffel für Kinder aus.

Auch die Wienerin Christa Ehrlich setzt Ebenholz für Knäufe und Griffe bei einem mit der Tiefziehpresse hergestellten Teeservice ein, stellte ein Besteck mit Rundstiel und Mittelrippe vor. Bei der fast gleichaltrigen Eilfriede Berbalk – ebenfalls aus Wien – dominieren bauchige Formen, so in einer Deckeldose mit Elfenbeinknäufen und einem originellen Kerzenständer mit Hammerschlagdekor. Mit nur einem Exponat, einer dreifach gebauchten Vase, ist Marga Jess vertreten.

Ganz eigenwillig geben sich die Arbeiten der Schweizerin Martha Flüeler-Haefeli. Zu sehen sind neben einer an mittelalterlichen Vorbildern orientierten Büste aus Messingblech eine außermittig »geschnürte« Kupfervase, ein beinah stachlig anmutendes, aus Zinn und Messing gefügtes Teeservice, ein Tortenheber mit Schneidefunktion. Von Erna Zarges-Dürr schließlich faszinieren eine kreiselförmige Deckeldose und eine flach abgedeckte, kühn schiffchenförmige Parmesandose.

Zu den Frauen, die in Werkstattgemeinschaft wirkten, zählen die an der Kunsthandwerkerschule Burg Giebichenstein ausgebildeten Hallenserinnen Eva Mascher-Elsässer, hier mit einem aus Silber getriebenen Schokoladenkännchen vertreten, und Hildegard Risch. Die beiden gebürtigen Berlinerinnen Gemma Wolters-Thiersch und Erika Spitzbarth-Petersen gerieten in den Sog des hymnisch verehrten Dichters Stefan George. Silberbecher mit mythischem Email-Dekor sowie goldener Armreif und Lorbeerkranz zeugen davon, verdecken indes nicht Petersens Meisterschaft in der Formgestaltung.

Dass all jene Silberschmiedinnen in der Bauhauszeit arbeiteten, ohne Bezug aber zu dieser Institution, ist wohl eine Denkwürdigkeit der Kunstgeschichte.

Bis 9.10., Di.-So. 10-18 Uhr, Bröhan-Museum, Schloßstr. 1a, Charlottenburg, Tel.: (030) 32 69 06 22, Infos: www.broehan-museum.de

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