Harte Landung für die Flughafen-Anwohner

Bundesrichter weisen Klage gegen Nachtflüge in Berlin Schönefeld ab

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Anwohner des neuen Hauptstadt-Großflughafens in Berlin-Schönefeld haben vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine herbe Niederlage einstecken müssen. Ihre Klagen, mit denen die Nachtflüge beschränkt werden sollten, scheiterten.

Die Bahn war Schuld. Weil die Züge aus Berlin gestern morgen in Leipzig mit etlicher Verspätung ankamen, begann die Verhandlung im großen, eichengetäfelten Saal des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts mit einer Viertelstunde Verspätung. Viele derjenigen, auf die das Gericht extra gewartet hatte, erlebten dort freilich die nächste, größere Enttäuschung: Sofern es sich um Anwohner des Großflughafens Berlin-Schönefeld handelte, mussten sie eine herbe Niederlage einstecken. Ihre Klagen gegen die Nachtflugregelungen am künftigen Hauptstadt-Airport wurden ausnahmslos abgewiesen.

Mehr Ruhe hatten sich die Kläger, darunter die Bürgermeister von vier Gemeinden sowie 38 Bürger, vor allem in den so genannten »Nachtrandstunden« von 22 Uhr bis Mitternacht sowie zwischen fünf und sechs Uhr versprochen. Während in der Zeit dazwischen laut einem Urteil des gleichen Gerichts vom März 2006 nur in Ausnahmefällen Flüge zulässig sind, darf in den Randstunden geflogen werden - und zwar nicht wenig: »Alle anderthalb Minuten« sollten auch nach 22 Uhr noch Flugzeuge landen, wettert eine Anwohnerin.

Dagegen ist nichts einzuwenden, sagt das Gericht. In den Randstunden habe der Lärmschutz ein weniger hohes Gewicht gegenüber dem Verkehrsbedürfnis. Planer und Betreiber müssten zwar begründen, warum Flüge in dieser Zeit notwendig sind. Das sei aber »plausibel dargelegt worden«, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Rubel. Er verwies auf Zubringerflüge zu den großen Drehkreuzen in München, Frankfurt am Main und anderen europäischen Hauptstädten und also die »Einbindung Berlins in das internationale Luftverkehrsnetz«. Auch die Entscheidung, die Randstunden für Billigairlines und Charterflieger zu öffnen, sei »nicht zu beanstanden«. Rubel betonte, man dürfe »an die Erreichbarkeit Berlins höhere Anforderungen stellen als an die anderer Flughäfen«.

Ausschlaggebend für das deutliche Urteil waren mehrere Umstände. Rubel lobte, das für den jetzt angegriffenen Planergänzungsbeschluss zuständige Brandenburger Ministerium für Infrastruktur habe seine Hausaufgaben gemacht und die Vorgaben des Gerichts aus dem Urteil von 2006 umgesetzt. Es hatte zudem während der Hauptverhandlung weitere kostspielige Zugeständnisse in Sachen Lärmschutz gemacht. Schließlich hielt das Gericht der Behörde eine jeweils halbstündige Ausweitung der Kernzeit zugute: Auch nach 23:30 Uhr und vor 5:30 Uhr herrsche weitgehend Ruhe. Dies mache es »vertretbar«, den Lärmschutz in den restlichen Randstunden hinter die Belange des Flughafens stärker »zurücktreten zu lassen« - eine Äußerung, die wie auch andere Passagen der Urteilsbegründung im Saal für höhnisches Gelächter sorgten.

Die dreiviertelstündige Urteilsverkündung ließ die Anwohner empört zurück. Ferdi Breitbach, Ehrenvorsitzender des Bürgervereins Berlin-Brandenburg (BVBB), sprach von einem »Skandalurteil«, das »ohne Rücksicht auf die Gesundheit« der Menschen gefällt worden sei. Die Initiative hatte sich wenigstens Einschränkungen für den Flugbetrieb bis 23 Uhr erhofft - erfolglos. Breitbach warf dem Gericht vor, es habe »alles übernommen, was die Planfeststellungsbehörde vorgelegt hat«.

Mit stiller Genugtuung äußerte sich dagegen Brandenburgs Staatssekretär Rainer Bretschneider. Anders als von den Kritikern stets behauptet, habe man nach Aussage des Gerichts »den Rechtsrahmen nicht überschritten«. Flughafenchef Rainer Schwarz erklärte, mit dem Urteil sei nun dessen »Wettbewerbsfähigkeit hergestellt«. Der Airport habe jetzt alle Chancen, sich als »dritter wesentlicher Player« in Deutschland zu etablieren.

Ob mit dem Urteil allerdings tatsächlich ein Schlussstrich unter den Streit um Lärmschutz und Flugrouten gezogen wird, ist fraglich. BVBB-Ehrenchef Breitbach kündigte an, die Initiativen erwögen eine weitere Klage: »Dieses Urteil wird vor dem Europäischen Gerichtshof landen.« Und Ortwin Baier, der Bürgermeister der stark betroffenen Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, verwies auf die Volksinitiative in Brandenburg, mit der doch noch ein Nachtflugumfassendes Nachtflugverbot erreicht werden soll.

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