Südafrikas außenpolitische Schwankungen
Pretorias Prinzipienfestigkeit wird am Beispiel des Umgangs mit Libyen, Syrien und dem Dalai Lama infrage gestellt
Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan verbarg seinen Ärger über Südafrikas ablehnende Haltung gegenüber einer Verurteilung des syrischen Regimes nicht. Freundschaft und Partnerschaft basierten auf gemeinsamen Grundwerten, meinte er nach einem Treffen mit dem südafrikanischen Vizepräsidenten Kgalema Motlanthe bei einer öffentlichen Vorlesung in Pretoria. Würden diese wie im Falle Syriens missachtet, habe die Freundschaft keinen Bestand mehr.
Hintergrund des Unmuts des türkischen Regierungschefs ist die Weigerung Südafrikas als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates, die syrische Regierung wegen der massiven Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land scharf zu verurteilen. Südafrikas Außenamtssprecher Clayson Monyela lehnte ein Ja seines Landes mit der Begründung ab, dass die im Sicherheitsrat vorgelegte Resolution eine Möglichkeit des Regimewechsels mit militärischen Mitteln nicht ausschließe.
Nach der Libyen-Resolution zur Flugverbotszone ist Südafrikas Regierung vorsichtig geworden. Anfang des Jahres hatte sie wie die anderen afrikanischen Staaten im Sicherheitsrat der Resolution 1973 zugestimmt. Mit der fortgesetzten Bombardierung Libyens durch die NATO wuchs der innenpolitische Druck auf die ANC-Regierung. Die ANC-Jugendliga warf ihr vor, mit dem Ja zur Flugverbotszone Libyen an den Westen verkauft zu haben. Diesen Vorwurf will man offenbar nun im Falle Syriens vermeiden.
Vermeiden will man in Südafrikas Regierung aber wohl auch Differenzen mit dem wichtigen Handelspartner China, der zusammen mit Russland bislang eine schärfere Haltung gegenüber Syrien im Sicherheitsrat verhindert. China ist nicht nur der größte Handelspartner und wichtiger Investor Südafrikas. Die Volksrepublik hat auch maßgeblich dazu beigetragen, dass Südafrika Anfang des Jahres in die Gruppe der BRIC-Staaten aufgenommen wurde. Präsident Jacob Zuma sieht die Aufnahme Südafrikas in den Klub der globalen Aufsteiger - Brasilien, Russland, Indien, China - als Beweis dafür, dass sein Land eine wichtige Stimme in der internationalen Arena geworden ist, auch wenn es sowohl nach seiner Einwohnerzahl als auch nach seiner Wirtschaftskraft hinter den anderen BRIC-Mitgliedern deutlich zurückbleibt.
Beobachter machen denn auch diese neue Verbindung Südafrikas zu China dafür verantwortlich, dass der Dalai Lama, das religiöse Oberhaupt der Tibeter, nicht an den Feierlichkeiten anlässlich des 80. Geburtstags von Erzbischof Desmond Tutu teilnehmen konnte. Bis zuletzt hatte Tutu, einer der größten Antiapartheidkämpfer Südafrikas, gehofft, dass die ANC-Regierung seinem Geburtstagsgast ein Visum erteilen werde. Nachdem dies bis kurz vor dem Termin nicht geschehen war, zog es der Dalai Lama vor, die Reise selbst abzusagen. Schon einmal, vor zwei Jahren, hatte er keine Einreisegenehmigung erhalten.
Der Vorfall hat innenpolitisch hohe Wellen geschlagen. Nicht nur, weil Tutu zornig drohte, für den Niedergang der ANC-Regierung zu beten, wie er einst für den Niedergang der Apartheidregimes gebetet hatte. In Frage gestellt wurde die Prinzipienfestigkeit der südafrikanischen Außenpolitik.
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