Autofahrer haften beim Unfall mit Rettungsfahrzeug

Verkehrsrecht

  • Lesedauer: 5 Min.
Bei einem Unfall mit Polizei-, Feuerwehr- und Rettungswagen ziehen andere Verkehrsteilnehmer bei der Haftung den Kürzeren.
Nach einem am 5. Oktober 2011 bekannt gewordenen Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Az. 13 S 61/11) haben die Blaulicht-Fahrzeuge weitgehende Sonderrechte. Denn sie dürfen nach dem Richterspruch darauf vertrauen, dass ihnen die übrigen Verkehrsteilnehmer freie Bahn schaffen. Daher haften nach Ansicht des Landgerichts bei einer Kollision mit einem solchen Fahrzeug grundsätzlich die anderen Autofahrer alleine.

Das Gericht gab der Klage eines Rettungsdienstes gegen eine Autofahrerin statt. Ein mit Blaulicht und Martinshorn fahrender Einsatzwagen stieß mit der Pkw-Fahrerin zusammen, als diese links abbiegen wollte, obwohl sie vom Rettungsfahrzeug überholt wurde. Das Landgericht sah die Schuld allein bei der Frau. Der Rettungssanitäter hätte nur dann eine Mitschuld gehabt, wenn er nicht sicher gewesen wäre, dass ihn die Autofahrerin auch wahrgenommen habe. Grundsätzlich dürften Verkehrsteilnehmer Rettungsfahrzeuge nicht behindern.

Linksabbieger haftet auch bei Unfall mit Ampelsünder

Ein Linksabbieger haftet auch dann, wenn er mit einem »Rotlichtsünder« zusammenstößt. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 30. September 2011 (Az. 22 U 67/09) hervor.

Danach muss sich ein Autofahrer an die Regeln halten - auch wenn ein anderer dagegen verstößt. Ein Linksabbieger müsse die Vorfahrt entgegenkommender Fahrzeuge beachten. Das Gericht hob damit eine Entscheidung des LG Darmstadt auf und verurteilte einen Autofahrer dazu, einen Teil seines Unfallschadens selbst zu tragen.

Der Wagen des Mannes war beim Linksabbiegen mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen. Der Linksabbieger machte geltend, der andere sei noch bei Rot auf die Kreuzung gefahren, deshalb müsse er den vollen Schaden ersetzen. Das Landgericht hatte diese Ansicht geteilt und den Unfallgegner zu vollem Schadenersatz verurteilt.

Die OLG-Richter sahen aber ein erhebliches Mitverschulden bei dem Linksabbieger, der deshalb auf der Hälfte seines Schadens sitzenbleibt. Die OLG-Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache liegt sie dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe vor (Az. VI ZR 133/11).

Führerscheinersatz in Tschechien besorgt

Wer mit falschen Angaben einen EU-Führerschein erwirbt, darf damit in Deutschland nicht Auto fahren.

Herr S. war in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen worden. Um sie nach dem Fahrverbot zurückzubekommen, hätte er eine Eignungsprüfung ablegen müssen. Das wollte er unbedingt vermeiden. Dann stieß er in einer Zeitung auf das Inserat einer tschechischen Fahrschule. Dort meldete er sich an und behauptete, er sei wegen eines Studiums in Tschechien.

Hintergrund dieser Lüge: Ohne (zumindest vorübergehenden) Wohnsitz im Land kann man in EU-Mitgliedsstaaten keinen Führerschein erwerben. Herr S. erhielt einen tschechischen EU-Führerschein.

Als er einige Monate später in Deutschland von der Polizei am Steuer eines Wagens kontrolliert wurde, zog diese den Führerschein ein. Herr S. landete wegen Fahrens ohne gültige Fahrerlaubnis vor Gericht.

Von einem Studienaufenthalt in Tschechien könne keine Rede sein, stellte das Oberlandesgericht Oldenburg fest. Er habe dort auch keine Schule besucht. Er habe also bewusst einen Aufenthalt im Land vorgetäuscht, um den Führerschein erwerben zu können. Der tschechische EU-Führerschein sei daher nicht anzuerkennen.

Herr S. habe auch keinen Wohnsitz in Tschechien gehabt. Er habe durch falsche Angaben die deutschen Bedingungen für den (Wieder-)Erwerb der Fahrerlaubnis austricksen wollen. So werde die wechselseitige Anerkennung der europäischen Führerscheine missbraucht. Der eingezogene Führerschein sei der ausstellenden Behörde in Tschechien zurückzusenden, lautete der Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. März 2011 (Az. 1 Ss 32/11).

Keine Schritttempopflicht bei Durchfahrt durch Pfützen

Von Autofahrern kann bei Regenwetter nicht verlangt werden, Pfützen nur mit Schritttempo zu befahren, um Fußgänger vor einer »Dusche« zu schützen. Wie das Landgericht Itzehoe am 24. Februar 2011 entschied, bedeuteten Bremsmanöver vor Pfützen eine zu große Unfallgefahr - und permanentes Schritttempo im Stadtverkehr sei eine zu große Verkehrsbehinderung ( Az. 1 S 186/10).

§ 1 der Straßenverkehrsordnung fordert von allen Verkehrsteilnehmern ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich so verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Darüber, welche Rücksichtnahme im Einzelfall verlangt werden kann, wird jedoch oft vor Gericht gestritten.

Der vor dem LG Itzehoe verhandelte Fall: Ein Ehepaar war zu Fuß durch Büsum unterwegs, als neben ihnen ein Pkw - ohne seine Geschwindigkeit zu verringern - durch eine große Pfütze fuhr. Beide erhielten eine großzügige »Dusche« mit Schmutzwasser. Für die Reinigung ihrer Kleidung fielen Kosten von 39,60 Euro an. Diesen Betrag verlangte das Paar vom Autofahrer als Schadenersatz. Begründung: Die Kleidung wäre nicht verschmutzt worden, wenn der Pkw-Fahrer im Schritttempo gefahren wäre.

Das Landgericht Itzehoe bestätigte das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts und entschied zu Gunsten des Autofahrers. Dem Urteil zufolge war er nicht verpflichtet gewesen, bei Annäherung an eine Pfütze Schritttempo zu fahren. Bremsmanöver oder Langsamfahren wegen einer Pfütze würden im Stadtverkehr die Gefahr von Auffahrunfällen für nachfolgende Fahrzeuge unverhältnismäßig erhöhen.

Auch ohne nachfolgende Fahrzeuge könne im Stadtverkehr kein Langsamfahren wegen Pfützen verlangt werden - denn dann müsse bei Regen praktisch im gesamten Stadtgebiet ständig Schritttempo gefahren werden, um jedes Nassspritzen von Fußgängern auszuschließen.

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