Am Hebel
Standpunkt von Kurt Stenger
Die Bundestagsabstimmung über die neuerlichen Neuerungen beim Euro-Rettungsschirm war kaum mehr als ein pseudodemokratisches Deckmäntelchen. Und zwar nicht deshalb, weil so mancher Abgeordneter nicht mehr versteht, worüber er abstimmt - da sieht es in anderen Politikbereichen kaum besser aus. Das Kernproblem liegt woanders: Entscheidungen werden seit Beginn der Krise zunehmend von Finanzministern und Regierungschefs getroffen, meist binnen weniger Stunden auf Krisentreffen. Wie sie zustande kommen, ist völlig intransparent: Haben die kleinen Länder überhaupt noch was zu sagen? Drängt das deutsch-französische Duo die Partner an den Rand? Zieht Merkel längst auch Sarkozy über den Tisch? Hinterher müssen die nationalen Parlamente ruck-zuck die Beschlüsse absegnen, auch um die eigene Regierung nicht zu blamieren.
Es ist paradox: Die allmähliche Europäisierung bei der Schuldenhaftung und in der Finanzpolitik geht mit einer Renationalisierung einher - wobei einige Regierungen, allen voran Deutschland, den Ton vorgeben. Das einzige demokratische Korrektiv im jetzigen Rettungsschlamassel könnte neben den protestierenden Bürgern in den Bankenmeilen vielleicht noch das - ins Krisenmanagement bisher kaum einbezogene - Europaparlament sein. Denn jenseits finanztechnischer Fragen von Hebeln und Zweckgesellschaften geht es um weit mehr: um Weichenstellungen für den Euroraum insgesamt, der zu einer Art Zwangsspargemeinschaft umgekrempelt wird. Wer sitzt hier am Hebel?
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.