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Sieben Jahre für rechte Schläger
Im Königswiesenprozess blieb Gesinnung Nebensache
Über weite Strecken ein Alkoholprozess
In der Urteilsbegründung beruft sich das Gericht auf ein Gutachten, dass den Angeklagten verminderte Schuldfähigkeit wegen Alkoholkonsums zubilligt. Die Staatsanwaltschaft hatte 12 Jahre Haft beantragt. Obwohl der Verfassungsschutzbericht 2000 die Tat als rechte Todestat bewertet, obwohl die Angeklagten sich selbst der rechten Skinheadszene zuordnen und obwohl bei der Festnahme NS-Propaganda gefunden wurde, betonte der Vorsitzende Richter ausdrücklich, dass es sich um keine rechte Straftat handele.
Schon wenige Tage nach dem Ereignis hatte die Flensburger Kriminalpolizei die geständigen Skinheads von rechtsextremistischen Motiven freigesprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Opfer nicht gezielt als Angehöriger einer sozialen Randgruppe ausgesucht wurde und dass die Tatbeteiligten unter Alkoholeinfluss standen. Diese Logik hatte sich im Prozess fortgesetzt. Zeugenverhöre bestanden zum größten Teil daraus, zu ermitteln, wer wann wie viel Alkohol in welchen Dosen gekauft, getragen und getrunken hatte. Ganz ließ sich die Tatsache, dass es sich bei den Tätern um Angehörige der rechtsradikalen Szene handelt, jedoch nicht ausblenden. Aber die beauftragte Flensburger Staatsanwältin, die sich scheinbar auf unbekanntem Terrain bewegte, befragte die rechtslastigen Zeugen mit verblüffender Naivität und Durchschaubarkeit, etwa in solch absurder Formulierung wie »Sammeln sie Hitlerfahnen?« »Hitlerfahnen« gibt es nicht.
Diese nachlässige und unprofessionelle Art der Ermittlung steht im direkten Widerspruch zu den Weisungen des schleswig-holsteinischen Generalstaatsanwalts Erhard Rex. In einem Interview hatte dieser moniert: »Die Justiz reagiert oft träge. Sie muss sich aber dazu durchringen, alle rechtsstaatlichen Mittel anzuwenden, um rechtsradikale Gewalttäter in Haft zu bringen«.
Ein Dutzend Zeugen aus dem Umfeld von Michael K. und Torsten W. waren vorgeladen; davon sind drei Viertel der rechten Szene Schleswigs zuzurechnen. Obwohl sie alle sehr bemüht waren, ihre »Kameraden« zu entlasten, gab es immer wieder Hinweise, in welchen Strukturen sich die Angeklagten bewegten. Mehrere Zeugen machten deutlich, dass es sich um eine Gruppe handelt, die Gewalt als legitimes Mittel der Auseinandersetzung pflegt. Der 20-jährige Tim S. beschrieb es so: »...der eine sagt dies, der andere sagt das, dann gehts los, bis einer am Boden liegt.« Die 18-jährige Sabrina K. gab zu, dass der Hitlergruß nicht selten zur Begrüßung dient. Immer dann jedoch, wenn es politisch relevant wurde, wenn vom politischen Hinterzimmer im Szenetreff »Trödels«, einer Gastwirtschaft in Schleswig, die Rede war und Organisationsstrukturen wie die geplante Gründung eines Aktionsforums angedeutet wurden, zeigte das Gericht kein Interesse.
Eine Stunde habe man über Politik diskutiert, schilderten die Angeklagten das Geschehen in der Tatnacht zu Beginn des Prozesses. Dann fühlte sich Torsten W. »bedroht« und streckte Malte L. zu Boden. »Als ich auf den am Boden liegenden Mann eintrat, wollte ich ihn lediglich verletzen«. »Warum hat er uns angepöbelt?«, fragte Michael K. schulterzuckend ins Leere. Provoziert und gedemütigt wollen sich beide gefühlt haben.
»Zum Schlafen auf die Seite gelegt«
Der Obduktionsbericht beschreibt einen Gewaltexzess mit Weichteilblutungen, Lungenquetschungen und diversen Frakturen. Malte L. krümmte sich röchelnd am Boden und erlag letztendlich seinen starken inneren Blutungen. Die Täterversion hingegen klingt absurd: Demnach legte sich Malte L. noch während der Attacke auf die Seite zum Schlafen »und fing an zu schnarchen«.
Doch in seiner Urteilsverkündung folgte das Gericht weitestgehend der Tatschilderung durch die Angeklagten. Im Verfassungsschutzbericht 2000 wird das Verbrechen auf den Königswiesen als Gewalttat mit rechtsextremistischem Hintergrund aufgeführt. Die Justiz reagiere »schwerfällig und unzureichend auf zunehmende rechtsgerichtete Gewalt«, erkannte Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwalt Rex jüngst selbstkritisch und forderte von seinem Berufsstand: »Es muss ein klares Signal gesetzt werden.«
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