Neuanfang von unten

Duisburgs umstrittener Oberbürgermeister Sauerland steht vor der Abwahl

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Countdown läuft: In 40 Tagen wird der Rat der Stadt Duisburg formal feststellen, ob ein von Bürgern initiiertes Abwahlverfahren gegen Duisburgs umstrittenen Oberbürgermeister Adolf Sauerland in Gang kommt.

Für den Christdemokraten wird es langsam eng: 79 193 Duisburger unterstützen mit ihrer Unterschrift einen Bürgerantrag für die Abwahl ihres Oberbürgermeisters. 55 000 gültige Unterschriften reichen. Wohl im Januar werden die Bürger der Ruhrstadt an die Urnen eilen, um über die politische Zukunft des Christdemokraten zu entscheiden. Die Hürden sind hoch: Eine Mehrheit der Abstimmenden muss für die Abwahl Sauerlands votieren, diese Mehrheit muss überdies 25 Prozent der Wahlberechtigten repräsentieren. Das heißt: Mindestens 92 000 Stimmen wider Sauerland müssen zusammenkommen.

Die Aktivisten der Initiative »Neuanfang für Duisburg« sind dennoch optimistisch, dieses Ziel zu erreichen. Sie werfen Sauerland »Machtversessenheit« vor. Und selbst innerhalb der eigenen Partei ist Sauerland nicht länger unumstritten: »Ich glaube nicht, dass er haltbar ist; denn er kommt da nicht mehr raus«, glaubt der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Senioren-CDU, Leonhard Kuckart. Neben Sauerland müssten jedoch auch andere Verantwortliche zurücktreten, meint er. Währenddessen steht Duisburgs CDU in Treue fest zu ihrem OB - und attackiert die Initiative »Neuanfang für Duisburg«.

Der Mann, in dem viele den Hauptverantwortlichen für das Loveparadeunglück vom 24. Juli 2010 sehen, hat die allerletzte Chance auf einen halbwegs würdevollen Abgang verpasst. Nein, ein Rücktritt komme für ihn nicht in Frage, verkündete Sauerland in diesen Tagen. Zwar werde er »als Demokrat das Verfahren« respektieren. Doch ergänzte er unmissverständlich: »Ich bin bis 2015 gewählt. Ich werde so lange Oberbürgermeister bleiben, bis es ein anderes demokratisches Votum gibt.« Schon seit 15 Monaten hält »OB Schäbig« (»Süddeutsche Zeitung«) sich im Amt - trotz allen Drucks von Opfern, Medien, des politischen Gegners, trotz fortgesetzter unfreundlicher Behandlung und trotz eines Angriffs mit blutrotem Ketchup. Ein Abwahlantrag im Stadtrat scheiterte, weil die CDU und Teile der Grünen Sauerland stützten. Als am Jahrestag des Unglücks ein Mahnmal für die 21 Toten der Loveparade 2010 eingeweiht wurde, musste Sauerland der Feier fernbleiben - auf Wunsch der Angehörigen der Toten sowie der überlebenden Opfer. Er ertrug auch diese Demütigung. Wie so manche zuvor.

Immerhin, wenige Tage zuvor hatte er erstmals Verantwortung für das Unglück übernommen - wenn auch nur »moralische«. Erstmals entschuldigte Sauerland sich »bei allen Hinterbliebenen und Geschädigten«. Das sei ihm ein »persönliches Bedürfnis«, sagte der Mann, der dieses »Bedürfnis« fast ein Jahr erfolgreich unterdrückt hatte. Die Gelegenheit, endlich persönliche oder auch nur die politische Verantwortung für das Unglück zu übernehmen und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen - Sauerland ließ sie erneut verstreichen.

Die juristische Aufarbeitung des Unglücks stockt derweil: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mitarbeiter der Verwaltung, der Polizei und des Loveparade-Veranstalters Lopavent. Nicht jedoch gegen Lopavent-Boss Schaller - und nicht gegen Adolf Sauerland. Dabei geht aus Verwaltungspapieren hervor: Es war Sauerland, der gegen Bedenken von Feuerwehr, Polizei und städtischen Mitarbeitern darauf drängte, die Loveparade stattfinden zu lassen. Koste es, was es wolle.

Denn Sauerland erhoffte sich einen preisgünstigen Imagegewinn für seine von Armut, Arbeitslosigkeit und einer desaströsen Finanzlage geprägte Stadt. Den Preis zahlen die Angehörigen der Opfer, die Überlebenden, von denen viele ein Leben lang gezeichnet bleiben, aber auch die Bürger Duisburgs, einer gespaltenen Stadt. Solange Sauerland im Amt bleibt, werden die Wunden nicht heilen.

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