Hinter der Weltbühne

»Neuigkeiten aus Bagdad, Beirut, Jaffa & Kairo« verspricht ein Festival im HAU

  • Tom de Meller
  • Lesedauer: 3 Min.
Szene aus »Irakische Geister«
Szene aus »Irakische Geister«

Mubarak - war da mal was? In einem Ausschnitt aus seinem gerade entsehenden Film über Kairo ließ der ägyptische Regisseur Tamer El Said Radionachrichten laufen, die besagten, dass ein gewisser Mubarak gerade von einem Krankenhausaufenthalt in Deutschland zurückgekehrt sei, eine Ansprache gegen die Arbeitslosigkeit - die in Kairo - gehalten sowie Universitätsabsolventen mehr Jobs versprochen hätte. Der Name des abgesetzten ägyptischen Präsidenten wirkt schon nach wenigen Monaten »arabischen Frühlings« fast so steinzeitalt wie jener des aus Bagdad gejagten und 2006 am Tage des islamischen Opferfestes gehenkten irakischen Diktators Saddam Hussein. Hussein und der Sturz der ihn verherrlichenden Statuen spielen wiederum in der Theateraufführung »Irakese Geester/Irakische Geister« des in Bagdad geborenen Regisseurs Mokhallad Rasem tragende Rollen.

Rasems Inszenierung und El Saids Gespräch über den entstehenden Film sind Teil des Festivals »Conflict Alt Esc« im HAU, das bis Montag nächster Woche »Neuigkeiten aus Bagdad, Beirut, Jaffa & Kairo« verspricht. Thematisch stellt das Festival ein interessantes Pendant zu dem arabischen Filmfestival dar, das derzeit in mehreren Kinos der Stadt läuft. Beide Festivals sind aber unabhängig voneinander entstanden.

Was bislang zu sehen war im HAU birgt insofern Neuigkeitswert, als dass es Araber (tatsächlich überwiegend Männer) nicht nur selbst zu Wort kommen lässt, sondern ihnen auch die Einrichtung der Perspektive und die Rahmung des Erzählten überlässt. Anders als in den Nachrichtensendungen hiesiger Kanäle, in denen floskelartig von »Facebook-Revolution« geplappert und stereotyp Prognosen zum Stand der Demokratisierung, oder zum Einfluss islamistischer Kräfte abgefragt werden, dringen hier andere Sichtweisen ans Tageslicht.

El Said und zwei Regiefreunde aus Bagdad und Beirut stellen ihre von Revolutionsmythos und Bürgerkriegsgram umwehten Metropolen in »Looking at the Last Days of the City« als alternde Prostituierte vor, deren Oberfläche noch blinkt, in deren Inneren es jedoch vor sich hin rottet. Dieses Bild der chaotischen Städte, die ihre Bewohner eher peinigen, sie aber auch nicht loslassen, zog sich als Leitfaden durch die vorgestellten Filmausschnitte. El Said hat in seinem Mammutprojekt - er arbeitet seit 2006 daran - sogar das Glück, die letzten Mubarak-Jahre eingefangen zu haben, und damit das Vorspiel der Revolution, seinen bisherigen Hauptakt und die Folgen in dokumentarische Bilder kleiden zu können.

Während »Looking at the Last Days...« gewissermaßen den verwahrlosten Backstagebereich der arabischen Revolutionsbühnen ausleuchtet, hat sich »Irakische Geister« bereits die globale mediale Verarbeitung der Bagdader Ereignisse einverleibt: Zwei abendländische Journalistinnen führen drei authentische Iraker vor und lassen sie Szenen aus Vorkrieg, Krieg und Nachkrieg spielen. Die Art, in der sie - wie wilde Tiere, oder auch an die Trophäen früher Ethnologen erinnernd - präsentiert werden, gibt Ausdruck von der Wut Rasems auf mediale Repräsentationsverhältnisse.

Wie die Performer das dreifache Bild aus Vorkrieg, Krieg und Nachkrieg herstellen, überrascht zumindest. Vorkrieg bedeutet Langeweile für Frauen und Fressorgien für Männer. Krieg ist Posieren für die Kerle und begeistert aufgenommene, ekstatische Herausforderung für die endlich ihrem Trott entrissenen Frauen. Nachkrieg wiederum bedeutet unablässige Show für diejenigen, die zu den Dauergästen des Fernsehens gehören. Ästhetisch wirkten die »Irakischen Geister« nicht ausgereift. Aber sie hatten eine Menge zu erzählen. Setzt »Conflict Alt Esc« die einmal aufgenommene Spur fort, dann ist ein wirklich prächtiges Festival zu erwarten.

Conflict Alt Esc, 2.-7.11., HAU

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