Einmischung mit Kamera

Werke des Dok-Film-Duos Stelzner/Walther über Guatemala zeigt das Kino Moviemento

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.

»Guatemala 1991-2011. Dokumentarfilm und politische Intervention« heißt die Werkschau, die das Moviemento den Filmemachern Uli Stelzner und Thomas Walther widmet, mit fünf gemeinsamen Filmen und zwei Solo-Regiearbeiten sowie vier Diskussionsrunden und zwei filmischen Gastbeiträgen des guatemaltekischen Regisseurs Sergio Valdés Pedroni.

Vom ersten gemeinsamen Film an, dem Fünfzigminüter »Ojalá - Hoffnung auf ein neues Land«, gedreht ein halbes Jahrzehnt vor dem Friedensvertrag, der 1996 den 36-jährigen Bürgerkrieg beendete, haben Uli Stelzner und Thomas Walther zwei Jahrzehnte lang die Bemühungen um ein friedliches, rechtsstaatliches, demokratisches Guatemala nicht nur dokumentiert, sondern auch aktiv befördert. »Ojalá« heißt »schön wär’s«, und um eine Zukunftshoffnung, der man nicht recht zu trauen wagt, geht es denn auch im Film. Formal ist das gemeinsame Debüt noch ein Jugendwerk, weit entfernt vom ästhetischen Ehrgeiz eines späteren Werks wie Stelzners jüngster Solo-Regie »La isla - Archive einer Tragödie« über die Aufarbeitung des Archivs der in Folterungen, Verschleppungen und politische Morde verwickelten Nationalpolizei. Inhaltlich aber ist man schon mitten drin in der Tragödie von Bürgerkrieg und anti-kommunistischen, anti-indianischen Säuberungsaktionen, von Militärdiktatur und staatlicher Willkürherrschaft.

Da spielen zu Beginn die Kinder von Überlebenden eines Massakers ihre Flucht nach Mexiko nach. Die begann 1982, zu Zeiten der Militärjunta unter General Efraín Ríos Montt. Rund zehn Jahre später schicken sich die Vertriebenen an, aus dem mexikanischen Exil nach Guatemala zurückzukehren. Stelzner und Walther filmten Rückkehrwillige bei schlecht bezahlter Arbeit auf südmexikanischen Plantagen und unterernährte Rückkehrer in ihren mit EU-Beihilfen errichteten, militärkontrollierten Modelldörfern im Norden Guatemalas.

Die Regisseure liefern die Zahlen dazu: mehr als 400 zerstörte Dörfer im indianischen Hochland, 30 000 Tote, Zehntausende Vermisste, eine Million von ihrem Land vertriebener Kleinbauern und Kooperativangehöriger, ehemalige Plantagenarbeiter und Tagelöhner. Im Kampf gegen die linke Guerilla verfolgte die Armee die Bauern gleich mit, in einer Politik der verbrannten Erde, die keine Gerechtigkeit und keine Gnade kannte. Obstplantagen, die dem Rohstoffraubbau weichen mussten, Lebendverbrennungen ganzer in ihren Häusern eingesperrter Familien, Bombardements, Erschießungen, Flucht.

Den Rückkehrern wird das billige Geld zum Ankauf von Landparzellen verweigert, das die Regierung von EU, Weltbank und IWF zu niedrigen Zinsen erhielt. Ihnen stärkte der jüngst verstorbene sozialistische Menschenrechtsaktivist und zeitweilige Minister unter den Reformregierungen der 40er Jahre, Alfonso »Poncho« Bauer Paiz, den Rücken. Seinem lebenslangen Kampf gegen Unrechtsregimes nach dem CIA-gestützten Putsch von 1954 widmeten Stelzner und Walther 2003 ihren Film »Testamento«.

Erst konnten Stelzners und Walthers Filme in Guatemala nur in kleinem Kreis gezeigt werden, dann wurden die Runden größer, die Vorführungen öffentlich. Frei von Protesten und Verhinderungsversuchen gehen sie bis heute nicht ab. In Guatemala City fiel just zur politisch unliebsamen Premiere von »La isla« der Strom im ganzen Viertel aus, nachdem Einschüchterungsversuche (einer der Hauptagitatoren wurde soeben zum Präsidenten von Guatemala gewählt) inklusive einer Bombendrohung nicht zum Abbruch der Veranstaltung geführt hatten - ein Generator sicherte die Vorführung.

Als der Zweistünder »Die Zivilisationsbringer - Deutsche in Guatemala« 1998 uraufgeführt wurde, kam der Protest aus der deutschsprachigen Gemeinde: Von den Kaffeebaronen, Großgrundbesitzern und Konzernvertretern, die in Guatemala geboren wurden, aber bei der deutschen Nationalhymne stramm stehen und ihre »zivilisatorische Großleistung« an den Indios von Stelzner und Walther als rassistische Ausbeutung geschildert sahen.

Vorführungen fanden nach Boykottdrohungen unter Schutz von UNO-Blauhelmsoldaten statt, Wagen wurden aufgebrochen und Projektoren gestohlen, die Filmemacher brauchten Personenschutz. Und drehten gleich noch eine zweite, kurze Dokumentation: »Die Abenteuer einer Katze«, über die wütenden Diskussionen, die die »Zivilisationsbringer« bei jeder Vorführung unter den Zuschauern auslösten. Dort ist zu sehen, wie wenig Übung die guatemaltekische Bevölkerung darin hat, über die Traumata ihrer Geschichte zu reflektieren - und wie wichtig es ist, dass kollektives Unrecht öffentlich aufgearbeitet wird.

Denn was passiert, wenn einem Teil der Bevölkerung keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft im eigenen Land mehr bleibt, ist in der Werkschau auch zu sehen, in Uli Stelzners »Angriff auf den Traum«, in dem er junge Guatemalteken begleitet, die ihr Land nunmehr freiwillig verlassen. In Richtung USA, auf fahrenden Zügen mit ganz schlechten Chancen auf eine glückliche Ankunft.

10.-16. November, Moviemento, Kottbusser Damm 22, Infos unter (030) 692 47 85

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