Regierung vertuscht Versagen

Aktivismus statt Abwehr von Nazi-Terrorismus

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach immer neuen Berichten über »Ermittlungspannen« bei der Aufklärung rechtsextremistischen Terrors berief die Bundesregierung einen Krisengipfel ein. Innen- und Justizminister aus Bund und Ländern treffen sich heute mit den Spitzen der Sicherheitsbehörden.

Bayerische Ermittler haben aufgrund von Täterprofilen bereits relativ früh einen rechtsextremistischen Hintergrund der Serienmorde vermutet. Beamte der Ermittlungsgruppe »Bosporus« haben deshalb bereits 2006 alle deutschen Verfassungsschutzämter um Hinweise gebeten. Zur Ergreifung der Täter waren 300 000 Euro ausgelobt und die Bevölkerung via TV-Sendung »Aktenzeichen XY« zur Mithilfe aufgefordert worden. 2006 hatte es in Kassel sogar eine Großkundgebung gegeben, auf der Aufklärung gefordert wurde.

Die Bundesregierung hielt sich aus allem heraus. Die »ungeklärten Mordfälle an Gewerbetreibenden türkischer bzw. griechischer Herkunft« seien Angelegenheit der Staatsanwaltschaften in Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Dazu nehme man »nicht Stellung«, hieß es auf eine Anfrage der Linksfraktion. Sie ist mit dem 20. April 2007 datiert. Die Abgeordneten wollten wissen, was zur Aufklärung unternommen wurde und welche Behörden auf Bundes- und Landesebene daran beteiligt sind. Keine Antwort. Auch nicht auf die Frage nach möglichen Tatmotiven. Dazu, warum die Mordserie in deutschen Medien kaum Aufmerksamkeit erweckte, lagen der Bundesregierung »keine Informationen vor«.

Nach dem Weggucken nun der Versuch des Vertuschens. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will eilig ein gemeinsames Abwehrzentrum gegen rechtsextremistische Gewalt von Bund, Ländern, Polizei und Geheimdiensten aufbauen.

Wozu? Es gibt seit 2004 ein gemeinsames Terror-Abwehrzentrum in Berlin. Doch das kümmert sich - kurzsichtig - nur um mögliche islamistische Gefahren. Seit Ende 1992 existiert auf Beschluss der Innenminister von Bund und Ländern eine spezielle »Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte«. Die IGR sollte neue Beobachtungs- und Bekämpfungskonzepte entwickeln und den Erkenntnisaustausch sichern. 2003 beriet das Gremium darüber, ob es im Bereich des Rechtsextremismus Gruppierungen gibt, von denen eine Gefahr der Entstehung terroristischer Strukturen ausgeht. Noch im Sommer 2011 bestritt Friedrich eine solche Gefahr.

Dass auch der Bundestag weit davon entfernt ist, Ermittlungen gegen die »Zwickauer Zelle« und nationale oder internationale Nazi-Netzwerke voranzubringen, zeigte sich diese Woche im geheimen Parlamentarischen Kontrollgremium. Es soll die Arbeit der Dienste beaufsichtigen. Die geladenen Experten aus Thüringen und Hessen erschienen nicht. In der kommenden Woche ist eine neue Sondersitzung geplant. Dann nehmen (hoffentlich) auch die Vertreter von LINKE und FDP daran teil.

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