Asbest für alle

Die geplanten Giftmüll-Transporte durch Norddeutschland beschäftigen jetzt auch die Politik

  • Dieter Hanisch, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 170 000 Tonnen Asbestabfall sollen von einer Halde in Niedersachsen auf Sondermülldeponien in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gefahren werden. An der Stecke wächst der Widerstand.

Die geplanten Asbest-Transporte von Niedersachsen nach Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern stoßen weiterhin auf massive Kritik. Eine TÜV-Begutachtung kam jedoch zu der Schlussfolgerung, dass von der brisanten Aktion auf der Straße, die sich über Monate hinziehen würde, keine Gefahren ausginge. Dazu hatte der TÜV die Erkenntnisse aus drei Test-Transporten ausgewertet. Noch in dieser Woche ist nun mit der Transportgenehmigung durch das zuständige Gewerbeaufsichtsamt Hannover zu rechnen, deren Vollzug aber mit juristischen Schritten verhindert werden könnte. Bereits vor zwei Jahren hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg solche Transporte untersagt.

Unbrauchbare Tests

Die Umweltorganisation BUND zieht die Ergebnisse der Testfahrten in Zweifel. Die Abfälle für diese Fahrten seien aus dem seitlichen Hangbereich der Deponie entnommen worden, heißt es in einer BUND-Mitteilung. Die Lkw seien dadurch vorrangig mit dem Abdeckmaterial der Halde und nicht mit der zu erwartenden Konzentration an Asbestfasern aus dem Kernbereich der Halde beladen worden.

Insgesamt sollen ab nächste Woche weit über 7000 Lkw-Ladungen mit insgesamt rund 170 000 Tonnen Asbest-Schlamm und Asbest-Scherben der ehemaligen Fulgurit-Werke in Wunstorf-Luthe bei Hannover auf die Sondermülldeponien in Rondeshagen (Schleswig-Holstein) und in Selmsdorf (Mecklenburg-Vorpommern) gebracht werden. Die Anwohner dort sind aufschreckt, denn sie fühlen sich nicht sicher vor womöglich freigesetzten krebserregenden Asbestfasern. In Rondeshagen prüft der CDU-Bürgermeister Andreas Albrecht rechtliche Schritte, in Selmsdorf nahe der Deponie Ihlenberg (vormals Schönberg) finden sich ebenfalls Kläger.

Am vergangenen Freitag demonstrierten besorgte Mecklenburger bereits zum zweiten Mal vor der Schweriner Staatskanzlei gegen den Müll-Deal, mit dabei auch der BUND. In einer Landtagsdebatte in Schwerin scheiterten Grüne und LINKE gegen die regierende SPD/CDU-Koalition mit dem Versuch, die Transporte zu stoppen. Am Dienstag kommt das Thema aber noch einmal auf den Kabinettstisch. Weiterer Druck kommt aus Schleswig-Holstein, die Front der Transport-Gegner wächst. Zu ihnen zählt nach eigenem Bekunden neuerdings auch Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU).

Weitere Abfälle gefunden

Der Kieler Landtag hat in einem einstimmig beschlossenen Antrag am vergangenen Freitag einen Bericht der Kieler Landesregierung zu diesem Thema bis zur nächsten Plenarsitzung eingefordert. Verbunden damit ist auch ein Prüfauftrag, ob nicht eine dauerhafte Lagerung in Wunstorf-Luthe einer Transportlösung vorzuziehen sei.

Für den Dienstag planen die Transportgegner in Berkenthin eine Infoveranstaltung, am nächsten Sonntag soll es in Rondeshagen eine Großdemonstration geben. In Lübeck will sich am Donnerstag eine Bürgerschaftssitzung mit dem Thema beschäftigen, für den gleichen Tag ist in Selmsdorf eine Veranstaltung der Deponie-Geschäftsführung angekündigt. Dort haben Bewohner genau wie in Schönberg mittlerweile angefangen, Unterschriften gegen die drohende Giftfracht zu sammeln. Die Verwendung von Asbest ist seit 1993 in Deutschland untersagt.

Inzwischen wurde bekannt, dass rund um die bisherige niedersächsische Lagerstätte bei Hannover auf mehreren Äckern weitere große Mengen an Asbestscherben liegen, um die sich offenbar jahrelang niemand gekümmert hat. Besorgte Anwohner haben das jetzt aufgedeckt.

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