Leni und Marlene

»Tell«, »Siegfried« und »Marleni« in der Schaubude

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Schaubude in Prenzlauer Berg nahm wie versprochen die beiden Produktionen »Tell« und »Siegfried« in den Winterspielplan auf. Beide Arbeiten mit den Puppenspielkünstlern Christine Müller (Tell) und Mathias Lenz (Siegfried) entstanden unter Regie der Theaterregisseurin Astrid Griesbach und nähern sich auf ungewöhnliche Art dem jeweiligen Thema.

Ein Versprechen, dem die Regisseurin und Gründerin des Theaters des Lachens Berlin und Frankfurt (Oder) treu bleibt, auch wenn sie inzwischen an den »großen« Theatern in Deutschland arbeitet. Diese Frau hinterlässt Spuren. Das Theater in Frankfurt (Oder) ist mit dem Berliner Weiten Theater eng verbunden.

Mit Theater & Philharmonie Thüringen, Artgenossenschaft, entstanden »Tell« und »Siegfried«. Der Schaubude steht es gut zu Gesicht, dem Berliner Publikum solche Produktionen heranzuholen. Das gilt auch für das Stück »Marleni - preußische Diven blond wie Stahl« des renommierten Puppentheaters der Stadt Magdeburg.

Um Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl im Jahr 1992 als Greisinnen geht es in diesem Stück mit exzellent geschaffenen Puppen von Kattrin Michel und Kerstin Schmidt. Die Dietrich-Puppe fast kahlköpfig mit großen blauen Augen - einmal Diva, immer Diva. Riefenstahl - inzwischen bei Greenpeace eingestiegen - kommt eher praktisch daher. Ihr Kopf ragt aus einem Rucksack. In der erstaunlichen Inszenierung von Frank A. Engel rechnen die beiden Alten miteinander ab.

Leni Riefenstahl steigt über den Balkon in Marlene Dietrichs Pariser Wohnung ein, worauf die Dietrich ausruft »Was denn, seid ihr etwa wieder einmarschiert?« Zum Faschismus ging logischerweise der erste Gedanke, denn die Riefenstahl steht für sie nach wie vor als dessen Propagandainstrument: »Nazinutte!« Die Riefenstahl kontert: »Amihure!«

So giften sich die beiden an, pfeifen auf Contenance. Aber die Riefenstahl ist nicht zum Schnaps vorbeigekommen, sondern um die Dietrich für einen gemeinsamen Film zu gewinnen. »Penthesilea« schwebt ihr vor. Starke junge Frauen mit nacktem Hintern auf rassigen Pferden und so. Dietrich verliert sich jedoch immer wieder in der Pose nach Art des »Blauen Engels«. Gelernt ist gelernt.

Zur Diskussion über das Filmprojekt bleibt der Disput über die politisch unterschiedliche Haltung in der Nazizeit. Sogar eine Hitler-Handpuppe wird benutzt. Das ist mutig und gekonnt inszeniert von Frank A. Engel.

Margit Hallmann und Susanne Søgaard werden zeitweise zu Dietrich und Riefenstahl. Zeitweise leihen sie den Puppen mal Arme, mal Beine. Außergewöhnlich gut ist ihre sprachliche Arbeit. Während sich die Dietrich typisch schleppend ausdrückt, gibt sich Riefenstahl burschikos. Papperlapapp, sie versteht nicht, was man ihr vorwirft. Für Politik hätte sie sich schließlich nie interessiert.

Das politisch interessante Spiel endet furios in der Nacht vor Dietrichs Tod. Für die Geräusche bis dahin sorgte bei dem Gastspiel Daniel Szwillus.

Wie auch immer haben die zwei Damen Geschichte gemacht. Das aus einer neuen Perspektive zu betrachten, ohne sich erstaunlicherweise von den Tatsachen sehr weit entfernen zu müssen, ist verdienstvoll und beweist einmal wieder neu, wozu Puppenspielkunst in der Lage ist.

»Tell« am 2.12., »Siegfried« am 3. und 4.12., 20 Uhr, Schaubude

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